Brandenburg: Letztes Aufgebot
Seit Jahren kämpft der Unternehmer Peter Niedner im größten Staatshaftungsstreit Brandenburgs um Schadenersatz und gegen Behördenwillkür. Bald könnte ein Urteil fallen
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Potsdam - Noch in diesem Monat könnte vor dem Oberlandesgericht (OLG) ein Urteil im größten Staatshaftungsprozess in der Geschichte Brandenburgs fallen. Doch der bayerische Unternehmer Peter Niedner, 79 Jahre alt, rechnet nicht damit, vor dem OLG Recht und den entstandenen Schaden von 100 Millionen Euro vom Land ersetzt zu bekommen. Dabei fällt dem Finanzministerium der Nachweis immer schwerer, selbst rechtens gehandelt zu haben – auch weil selbst einfache Finanzbeamte der offiziellen Linie widersprechen. Und obendrein unterlief dem Ministerium bei der Auswahl eines Gutachters in dem Prozess vor dem obersten Zivilgericht Brandenburgs eine peinliche Panne.
Der Fall Niedner selbst reicht ins Jahr 1992 zurück und füllt inzwischen 500 Aktenordner. Mit seiner Firma hatte Niedner damals im südbrandenburgischen Großräschen (Oberspreewald-Lausitz) für 125 Millionen Euro eine Baustoff-Firma namens Deuba GmbH aufbauen wollen. Das Land hatte noch im Sommer 1994 Fördermittel in Höhe von 40 Millionen Euro bewilligt. Die Finanzbehörden hatten ihn, einst Manager bei Volkswagen und der Triumph Adler AG, dann aber überraschend als dubiosen Scheininvestor eingestuft, ihm die Unternehmereigenschaft aberkannt und damit die Investition in die Pleite geschickt. Dass diese Verwaltungsentscheidung falsch war, ist inzwischen unstrittig. Bislang hatten Brandenburger Gerichte allerdings geurteilt, die daraus erwachsenden Schadensersatzansprüche seien verjährt. Der BGH kassierte diese Urteile. Niedner hatte daraufhin eine außergerichtliche Einigung angeregt und seine Bereitschaft bekundet, über die Entschädigungssumme zu verhandeln. Finanzminister Helmuth Markov (Linke) lehnte dies trotz eines entsprechenden Votums des Petitionsausschusses des Landtags ab. Auch das OLG Brandenburg hatte zunächst ein solches außergerichtliches Mediationsverfahren befürwortet, inzwischen bezweifeln die obersten Zivilrichter des Landes in dem aktuell laufenden Verfahren aber, ob Niedner Schaden entstanden ist.
Nun sagten Steuerfahnder und Behördenmitarbeiter vor Gericht aus, dass damals – als die strittige Entscheidung getroffen worden war – keine Zweifel an der wirtschaftlichen Tätigkeit Niedners bestanden hätten. Nach Angaben von Niedners Anwalt haben Zeugen, wie etwa die damalige Leiterin des zuständigen Finanzamtes Calau, vor Gericht gesagt: „Aus dem Gespräch ergaben sich dann keine Anhaltspuunkte für eine Steuerstraftat.“ Und: „Aus Sicht des Finanzamtes gab es keinerlei Zweifel an der Unternehmereigenschaft.“ Ein Steuerfahnder sagte: „Wenn wir bzw. ich bei dem Gespräche zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass steuerstrafrechtliches Verhalten vorgelegen hätte, dann hätte ich noch bei dem Gespräch selbst das Ermittlungsverfahren eröffnet.“ Warum das Finanzamt Calau dann dennoch anders entschied und Niedner verwehrt, Umsatzsteuer abzurechnen, ist völlig unklar. Für Niedner ist das ein klarer Fall von Willkür.
Das Finanzministerium versuchte nun vor Gericht Niedners Angaben erneut in Zweifel zu ziehen – mit einem Gutachter. Es war der Jura-Professor Walter Frenz, ein Spezialist für Öffentliches Recht und Europarecht. Allerdings geriet Frenz 2011 unter Plagiatsverdacht. Der Grund: In der Dissertation seiner Doktorandin fand ein Erstgutachter auf 40 Seiten Übereinstimmungen mit einem von ihm verfassten Handbuch über Europarecht. Unklar war aber, ob die Doktorandin bei ihrem Doktorvater abschrieb, oder anders herum der Doktorvater von seiner engsten Mitarbeiterin. Die Technische Hochschule Aachen, wo Frenz den Lehrstuhl hat, stellte fest, der Professor habe seine Sorgfaltspflicht verletzt. Mit Beiträgen von Mitarbeitern an Frenz’ Institut sei „geisterkommunistisch“ umgegangen worden, stellte die Universität Bonn fest, wo Frenz Doktoranden promovierte. Die Hochschule beendete schließlich die Zusammenarbeit mit Frenz.
Für Niedners Anwälte ist die Betrauung des Rechtsprofessors durch das Finanzministerium nichts weiter als Verschwendung von Steuergeld. Ohnehin hatte Niedner dem Land immer wieder Brücken gebaut. Doch das Land lehnte jedesmal brüsk ab. Im Sommer vergangenen Jahres etwa hatte Niedner sogar vorgeschlagen, dass das Land 20 Millionen Euro Schadensersatz zahlen soll, je fünf Millionen Euro würde Niedner für den Wiederaufbau der Garnisonkirche und die Gartenanlage der Orangerie von Sanssouci stiften. Den Rest würde er in Landeswald und Büros seiner Firmen am Flughafen BER investieren. Daraus wurde nichts, Finanzministerium und Staatskanzlei blieben hart. Aller Voraussicht nach wird das Verfahren also wieder vor dem Bundesgerichtshof landen. Niedner selbst kann über die starre Haltung der Landesregierung nur den Kopf schütteln: „Täglich erhöht sich der Schaden um drei Monatsgehälter eines Ministers.“
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