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Bio für die Hauptstadt. Der Bio-Landhof Schmerwitz erzeugt unter anderem Bio-Wurstwaren, Bio-Eier, frische Bio-Nudeln und Säfte, die er selbst vermarktet oder über die Werder Frucht an Berliner Verbraucher liefert.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Lieber von hier

Brandenburg deckt Berlin den Tisch. Für den Bedarf reicht die regionale Produktion aber noch nicht aus

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Wedemark/Werder/Berlin - Der „Milchmann“ kommt regelmäßig. Dann hat er frische Milch, Joghurt, Käse oder Butter aus der Uckermark für die Kunden im Berliner Norden dabei. Meist im Abo gebucht, werden die Lebensmittel bis zu zweimal pro Woche von der Uckermark in die Hauptstadt geliefert – sicher verpackt in einer Kühlbox. „Kunden wollen regionale Produkte, und die möglichst frisch“, sagt Gunnar Hemme, Geschäftsführer der Hemme Milch GmbH & Co. KG. 2000 Berliner Haushalte buchen mittlerweile den Service.

Der Trend nimmt zu, die Nachfrage steigt, und die märkische Land- und Ernährungswirtschaft muss Schritt halten. Eier sollen von glücklichen Hühnern stammen, deren Namen die Kunden am liebsten wissen wollen. Auch bei Wurst und Fleisch geht es um Regionalität. „Die Verbraucher wollen immer mehr über ihre Ernährung wissen“, stellt der Sprecher von Slow Food Berlin, Udo Tremmel, fest. Die Slow-Food-Bewegung setzt sich dafür ein, dass Lebensmittel gut, sauber und fair produziert und gehandelt werden.

Hochwertige Produkte sollen in der Region verarbeitet werden, lautet der allgemeine Wunsch. Arbeitsplätze in der Heimat entstehen und bleiben – nicht unbedingt im unmittelbaren Speckgürtel, aber doch im Land. Regional ist heute ein unverzichtbarer Werbefaktor: Verbraucher schlendern über Wochenmärkte mit Ständen märkischer Landwirte oder kaufen in Hofläden direkt vor Ort ein. Obendrein lassen sich viele Familien regelmäßig mit Obst- und Gemüsekisten aus Brandenburg beliefern. Aber auch große Lebensmittelhändler sind interessiert.

Seit fast zehn Jahren profitieren ebenso eher kleine Betriebe von dem Boom. „Mit der Regionalmarke „Von hier“ kommen sie zum Zuge“, sagt Gerrit van Schoonhoven, Geschäftsführer der Werder Frucht GmbH. Normalerweise räume der Handel für einen märkischen Imker, der naturgemäß nicht auf Massenproduktion eingestellt ist, kaum einen Zentimeter im Regal frei. „Unsere Idee war, hochwertige einheimische Lebensmittel in die Geschäfte zu bringen“, berichtet van Schoonhoven von den Anfängen. Unter der Dachmarke „Von hier“ werden sie vor allem in Supermärkten einer bekannten Einzelhandelskette angeboten.

Über den Agrarmarketingverband pro agro wurde 2007 das Projekt mit 20 Produkten von acht Betrieben gestartet - mit Honig, Chutney, Säften, Kartoffeln, Zwiebeln und Wurst im Glas. Heute sind es 60: Meerrettich, Bier, Käse, Nudeln, Sauerkraut, Senf und Dinkelflocken kamen dazu. „Regional heißt auch: Wenn die Saison für ein Produkt vorbei ist, ist es ausverkauft“, erklärt van Schoonhoven.

„Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Artikeln“, sagte Kristin Mäurer, Fachbereichsleiterin Agrar- und Ernährungswirtschaft bei pro agro. In den vergangenen Jahren sei es gelungen, die Verbraucher für saisonale und regionale Produkte zu sensibilisieren. Die Landwirte müssen aber einige Kriterien erfüllen, um das Logo der Marke „Von hier“ auf ihre Etiketten drucken zu dürfen. So ist es verboten, Tieren genverändertes Futter zu geben; außerdem sind sie artgerecht zu halten. Unverarbeitete Ware muss zu 100 Prozent aus der Region stammen, bei verarbeiteter sind es mindestens 70 Prozent.

Werder Frucht übernimmt im Auftrag von pro agro Organisation und Vertrieb der „Von hier“-Produkte. In den großen Lagerhallen südwestlich von Potsdam sind die Regale derzeit gut gefüllt mit Lebensmitteln: Meerrettich aus dem Spreewald, Obstsäfte aus Hohenseefeld, Sanddornsaft aus Bad Belzig, Lein- und Rapsöl von kleinen märkischen Ölmühlen. Hier gehen die Bestellungen an die hauptstädtischen Supermärkte raus, werden Rechnungen verschickt. „Die Produzenten schätzen den fairen Preis, den sie für ihre Ware bekommen“, sagt van Schoonhoven.

„Der Bedarf bei Waren des täglichen Bedarfs ist noch lange nicht aus der Region zu decken“, sagt der Sprecher des Branchen-Schwerpunktes Ernährungswirtschaft in Brandenburg, Sebastian Kühn. In seinem Betrieb – Eberswalder Wurstwaren GmbH – würde nach zwei Monaten die Produktion stillstehen, wenn nur märkische Schweine verarbeitet werden könnten. „Mehr Tiere gibt es hier aber nicht.“ Molkerei-Chef Hemme schafft einen Drittel seines Umsatzes mit der Direktbelieferung der 2000 Haushalte, der Rest kommt von Supermärkten. „Das Milchmann-Geschäft trägt sich selbst“, betont er.

In seinem Unternehmen, etwa 80 Kilometer von Berlin entfernt, plant er jetzt ein Erlebniszentrum für rund drei Millionen Euro. Eröffnung ist 2017. „Kunden sollen erfahren, wo die Milch herkommt“, unterstreicht Hemme. Zumindest eines können sie schon jetzt sehen: Eine Kuh-Cam zeigt, was die Tiere auf der Weide nebenan tagsüber tun. Sie fressen und dösen, bevor es an die Melkmaschinen geht.

VON HIER]HEMME MILCH]

Gudrun Janicke

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