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Von Thorsten Metzner: Linke-Fraktion will Hoffmann loswerden
Trotz eindeutigem Votum auf Klausurtagung will Stasi-belasteter Abgeordneter sein Mandat behalten
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Templin – Trotz seiner erst nach der Landtagswahl enthüllten früheren Spitzeltätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) „Schwalbe“ für den DDR-Geheimdienst MfS will der Lausitzer Linke-Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann sein Landtagsmandat „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ nicht niederlegen. Dies erklärte der 57-Jährige, der sich vor der rot-roten Regierungsbildung sogar ernsthaft Chancen auf den Kulturministerposten ausgerechnet hatte, am Dienstag auf der Klausurtagung der Linke-Fraktion in Groß Dölln (Schorfheide). Die Fraktion forderte den bisherigen kulturpolitischen Sprecher gleichwohl geschlossen zum Rücktritt als Abgeordneter auf. Lediglich Hoffmann selbst, der in der Debatte die Genossen vergeblich von einem Beschluss abbringen wollte, stimmte dagegen. Es gab einige Enthaltungen.
Nach den Spitzen von Fraktion und Landespartei plädierte damit auch die Basis der Linke-Fraktion überraschend deutlich für den Verzicht auf das Landtagsmandat. Er soll nun, wie es hieß, „ein, zwei Wochen“ erhalten, um Einsicht in seine Stasi-Akte zu nehmen. Wenn er danach nicht selbst seinen Verzicht auf das Mandat erklärt, droht ihm der Ausschluss aus der Landtagsfraktion. Das wäre ein Novum in der Geschichte der Brandenburger Linken seit 1989.
„Er ist sich über diese Konsequenz im Klaren“, sagte Fraktionschefin Kerstin Kaiser den PNN. Sie begründete das Votum der Fraktion mit dem Vertrauensmissbrauch durch Hoffmann, der sich nicht einmal nach Bekanntwerden der belastenden Stasi-Akte – nach der der IM „Schwalbe“ von 1970 bis 1975 als 18-Jähriger an der Erweiterten Oberschule Senftenberg und später Mitschüler, Kirchenangehörige und Soldaten seiner Grenzkompanie bespitzelte – den eigenen Genossen offenbart hatte. „Er hat der Fraktion weniger Vertrauen entgegengebracht als diese ihm“, sagte Kaiser. Auch nach einhelliger Auffassung der Fraktion hat Hoffmann gegen den seit 1991 geltenden Beschluss eines PDS-Bundesparteitages verstoßen, nach der Mandatsträger vor Wahlen ihre politische DDR-Biographie wegen Glaubwürdigkeit gegenüber dem Wähler offen zu legen haben, sagte Kaiser.
Hoffmann äußerte sich „enttäuscht“ und „betroffen“ über die Entscheidung. Er sei „nie clever“ gewesen, sagte er in Anspielung auf andere Linke-Politiker, die ihre Verstrickungen öffentlich gemacht hatten. Er wolle nach Akteneinsicht den Kontakt zu jenen suchen, denen er womöglich geschadet habe.
Zuvor hatte Hoffmann auch in der Fraktion erklärt, dass er sich an eine 40 Jahre vergangenen IM-Tätigkeit „nicht erinnern“ könne, was ihm nur wenige abnahmen. Nach Aussagen von Teilnehmern rechtfertigte er sich, verteidigte sich unter Verweis auf das damalige SED-System, zeigte aber „kaum Einsicht“.
Der Auftritt des 57-Jährigen, der wegen seiner verheimlichten Spitzeltätigkeit sowohl die Linke, als auch das rot-rote Regierungsbündnis unter Führung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in eine schwere Krise gestürzt hat, war mit Spannung erwartet worden. Noch am Vortag hatte er einen Termin mit Fraktionschefin Kerstin Kaiser platzen lassen.
Dass die Fraktion nicht seinen sofortigen Ausschluss beschloss, man ihm noch „etwas“ Zeit zur Selbstfindung geben will, wurde hinter vorgehaltener Hand mit Rücksichtnahme auf den „labilen, völlig angegriffenen Zustand“ und mit Sorge vor etwaigen Suizidabsichten Hoffmanns erklärt. „Wir hoffen, dass er im Zuge der Akteneinsicht zur Einsicht kommt, dass die Empfehlung berechtigt ist“ sagte Parteichef Thomas Nord, der früher selbst Stasi-IM war. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass es „eine gewisse Zeit“ für die Erkenntnis braucht, „in welchem Umfang man versagt hat“.
Die Reaktionen der anderen Parteien fielen unterschiedlich aus. SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke sagte, der Ball liege jetzt bei Hoffmann. Regierungschef Matthias Platzeck lobte die Aufforderung zum Mandatsverzicht durch die Linke-Fraktion als konsequent. Dagegen rügte CDU–Oppositionsführerin Johanna Wanka, dass Brandenburg nun schon seit Wochen bundesweit durch rot-rote Stasi-Fälle in den Negativschlagzeilen sei – und Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) dazu schweige. „Ich bin empört über das Verhalten des Ministerpräsidenten“, sagte Wanka. Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Axel Vogel war der Schritt der Linksfraktion „unausweichlich“. Genauso schwer wie der von Hoffmann in jungen Jahren begangene Vertrauensbruch gegenüber ausspionierten Menschen wiege sein jetziger offenbar unehrlicher Umgang mit seiner Biografie. Zugleich verlangte auch Vogel, dass sich Platzeck positioniert. Sonst drohe aus dem Fall Hoffmann auch ein Fall Platzeck zu werden.
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