
© Norbert Millauer/dapd
Brandenburg: Linke: Welzow-Süd kein Selbstläufer
Frakionschef Christian Görke erwartet Entscheidung zu neuem Tagebau erst im Wahlkampfjahr 2014. Ausstehendes Gutachten aus dem Umweltministerium verzögert Beginn des neuen Beteiligungsverfahrens
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Potsdam - Der vom schwedischen Staatskonzern Vattenfall geplante neue Tagebau Welzow-Süd II droht zum Wahlkampfthema zu werden – und damit auch die Grundsatzfrage nach der Zukunft der Braunkohleverstromung in Brandenburg. Der rot-roten Regierungskoalition steht kurz vor dem Ablauf der Legislaturperiode im September 2014 eine Zerreißprobe bevor.
Mit einer Kabinettsentscheidung im Genehmigungsverfahren noch in diesem Jahr ist nach Einschätzung von Linke-Fraktionschef Christian Görke nicht mehr zu rechnen. „Das wird definitiv nichts mehr“, sagte er den PNN. Der Grund ist Experten zufolge das ausstehende zweite Beteiligungsverfahren, das wie berichtet nach gravierenden Planungsmängeln im ersten Entwurf notwendig geworden war. Mit der erforderlichen drei Monate langen öffentlichen Auslegung eines neuen Entwurfs sei frühestens im Sommer zu rechnen. Während die als braunkohlefreundlich bekannte SPD das umstrittene Thema Genehmigung gerne ohne Wahlkampfgetöse noch in diesem Jahr über die Bühne gebracht hätte, macht Görke deutlich, was den Koalitionspartner im kommenden Jahr erwartet. „Ich gehöre nicht zur Braunkohlefraktion. Die Genehmigung von Welzow Süd ist kein Selbstläufer“, warnt Görke.
In der Frage nach neuen Tagebauen ist die SPD-Linke-Koalition tief gespalten. Noch vor der jüngsten Landtagswahl 2009 war die Linke mit einer Anti-Braunkohle-Kampagne auf Stimmenfang gegangen, hatte sich letztlich zugunsten einer Regierungsbeteiligung dem Willen des kohlefreundlichen Koalitionspartners gebeugt. Das Thema sorgt aber regelmäßig bei Landesparteitagen der Linken für Unruhe. Erst vergangenen Freitag hatte sich Görke in der Lausitz mit Umweltschützern und Vertretern der Bürgerinitiative „Klare Spree“ getroffen, um sich über die Lage an dem infolge des Tagebaus mit Eisenhydroxid verschmutzen Fluss zu informieren. „Das hat mich sehr nachdenklich gemacht“, sagt der Linke-Fraktionschef. Beim Koalitionspartner SPD heißt es lediglich, die Position der Fraktion zur Braunkohle sei bekannt. „Man kann nicht gleichzeitig aus der Atomkraft und der Braunkohleverstromung aussteigen“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Thomas Kralinski. Die Grundlastversorgung sei am günstigsten und sichersten mit Braunkohle realisierbar. An Spekulationen über Kabinettsdebatten wolle er sich nicht beteiligen.
In Welzow-Süd will Vattenfall von 2027 bis 2042 rund 200 Millionen Tonnen Braunkohle für sein Kraftwerk Schwarze Pumpe fördern. Zudem will der Energiekonzern Vattenfall zum Ende der 2020er Jahre in Jänschwalde das bestehende Kraftwerk durch ein neues ersetzen.
Die Tagebaupläne sind nicht nur wegen möglichen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt umstritten, sondern auch wegen der erforderlichen Umsiedlung von mehr als 800 Einwohnern. Im ersten Entwurf für den Braunkohleplan hatte das Land schlichtweg vergessen, angemessene Umsiedlungsflächen einzuplanen. Fraglich ist auch, ob und wie überhaupt noch stichhaltig begründet werden kann, dass der neue Tagebau Welzow-Süd II auch angesichts der nötigen Umsiedlung als energiewirtschaftlich notwendig begründet werden kann. Insgesamt wurden gegen den Entwurf 5000 Einwendungen eingereicht.
Die ohnehin zeitraubende öffentliche Auslegung eines neuen Entwurfs wird derzeit zusätzlich durch ein noch nicht fertiges Gutachten von Umweltministerin Anita Tack (Linke) zu möglichen Umwelt- und Klimaschäden durch den neuen Tagebau verzögert. Die für den 7. März geplante Sitzung des Braunkohleausschusses des Landes, der vor dem Start eines neuerlichen Beteiligungsverfahrens dazu getagt haben muss, musste abgesagt werden. „Einen neuen Termin gibt es noch nicht“, sagt René Schuster, der für den Umweltschutzverein Grüne Liga im Ausschuss sitzt. „Übliche Praxis ist, dass die Ausschussmitglieder vier Wochen vor der Sitzung alle Unterlagen, damit auch sämtliche Gutachten, zugeschickt bekommen. Das ist offenbar nicht mehr zu schaffen“, so Schuster.
Mit dem Gutachten geht Tack erneut auf Konfrontationskurs zu Parteigenosse und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, der wegen seiner ebenfalls braunkohlefreundlichen Haltung in der Fraktion und Partei weitgehend isoliert ist. In einem eigenen Gutachten hatte Christoffers die energiewirtschaftliche Notwendigkeit von Welzow-Süd darlegen lassen und muss das Gutachten nach einer Intervention des Umweltressorts sogar nachbessern lassen. Nach einer Einschätzung des Umweltministeriums zu dem Gutachten wären die Klimaschutzziele in der Energiestrategie 2030 der Landesregierung damit – also dem neuen Tagebau und dem weiteren Volllastbetrieb des Kraftwerks Schwarze Pumpe über 2030 hinaus – nicht zu erreichen, sondern würden deutlich überschritten. Zudem zweifelt die Experten des Umweltministeriums zentrale Annahmen und Eckpunkte etwa zur Entwicklung der Energiepreise und Emissionszertifikate für das Klimagas Kohlendioxid (CO2) an. Darüber hinaus hatte Tack im Herbst 2012 in einer Stellungnahme vor einer zunehmenden Verschmutzung der Spree als Spätfolge der Tagebaue gewarnt.
Im Umweltministerium ist man bemüht, das angekündigte Gutachten zu Klima- und Umweltauswirkungen von Welzow-Süd als Routine herunterzuspielen. „Wir sind aufgefordert, zum Gutachten des Wirtschaftsministeriums eine Stellungnahme abzugeben. Die werden wir mit einem Gutachten unterlegen. Ein ganz üblicher Vorgang“, sagt eine Ministeriumssprecherin. Wann das Gutachten fertig sein werde, könne sie nicht sagen – in Auftrag gegeben sei es bereits. (mit axf)
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