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Brandenburg: Links-Spitze hat Probleme mit dem Wahlgesetz

Landeschef Nord will Zusammensetzung der künftigen Landtagsfraktion mit Blick auf das angestrebte rot-rote Regierungsbündnis nicht dem Zufall überlassen

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Potsdam - Brandenburgs Linkspartei-Spitze hat bei der Vorbereitung der Landtagswahl 2009 Schwierigkeiten mit dem Wahlgesetz. Nach PNN-Recherchen versucht Parteichef Thomas Nord, ein bislang im Lande einmaliges Verfahren zur Aufstellung der Landesliste durchzusetzen, das juristisch riskant und in der Partei als „undemokratisch“ umstritten ist. Auf Anfrage bestätigte Nord, dass Landeswahlleiter Peter Kirmße, den die Links-Spitze aufgrund innerparteilichen Wirbels konsultierte, in einem Gutachten inzwischen „Bedenken“ gegen das geplante Nominierungs-Verfahren angemeldet hat. Nord lässt es daher jetzt nachbessern. „Wir nehmen das auf. Wir arbeiten daran, die Bedenken auszuräumen. Wir wollen jede Unwägbarkeit im Verfahren ausschließen“, sagte er. In Kürze soll deshalb ein klärendes Gespräch mit dem Landeswahlleiter stattfinden.

Die Auseinandersetzung, die seit Monaten hinter den Kulissen der Linken geführt wird, ist brisant. Es geht dabei um die Zusammensetzung der künftigen Links-Landtagsfraktion, die die Partei-Spitze um Nord mit Blick auf das angestrebte rot-rote Regierungsbündnis nach 2009 nicht dem Zufall überlassen will. Zum Hintergrund: Parlamentsfraktionen setzen sich auch in Brandenburg einerseits aus direkt gewählten Abgeordneten zusammen, die mit den meisten Erststimmen ihre Wahlkreise gewinnen. Zum anderen ziehen Abgeordnete über von Parteien bestimmte Landeslisten ein, die der Wähler mit seiner Zweitstimme wählt. Üblich ist, dass Parteien über die Landesliste steuern, dass in der Fraktion auch Fachpolitiker angemessen vertreten sind. Nun aber hat Nord für die Linkspartei ein kompliziertes Verfahren für die Aufstellung der Landesliste erfunden, das davon radikal abweicht: Danach sollen – abgesehen von der sicheren Spitzenkandidatur von Fraktionschefin Kerstin Kaiser – die folgenden Listenplätze 2 bis 25 vor allem durch Kandidaten besetzt werden, die zuvor von Kreisverbänden der Linkspartei über ein System von parteiinternen Vorwahlen nominiert worden sind. Kritiker wie die Landtagsabgeordneten Peer Jürgens, Torsten Krause, Margitta Mächtig, Stefan Sarrach, aber auch der Potsdamer Kreischef Pete Heuer sehen darin einen Verzicht auf Fachkompetenz der Fraktion, eine Überbewertung von Regionalinteressen, aber auch einen fragwürdigen Eingriff in die Souveränität der Landesvertreterversammlung, die die Liste wählen muss. Genau da drohen auch die juristischen Klippen. Denn laut Brandenburger Wahlgesetz gilt das unumstößliche Prinzip, das für jeden Listenplatz jeder Delegierte kandieren können muss, wie aus einem Rundschreiben des Innenministeriums vom 11. März 2008 an alle Parteien und Kommunen hervorgeht. „Das Vorschlags- oder Antragsrecht darf in keinem Fall bestimmten Parteiorganen vorbehalten bleiben“, erklärte auch Landeswahlleiter Peter Kirmße den PNN.

Zwar rudert Nord inzwischen zurück. Anders als beim Ursprungsvorschlag mit einer Listen-Reservierung ausschließlich für Kreis-Kandidaten findet sich in der aktuellen Beschluss-Vorlage für den Landesausschuss der Linken am 30. Mai der Hinweis, dass das Vorschlagsrecht der Delegierten von dem Verfahren „unberührt“ bleibt. Dennoch kritisieren etwa die Abgeordneten Krause und Jürgens, die eine stärker inhaltlich geprägte Liste fordern und im März einen Gegenvorschlag eingereicht hatten, in einem Papier das „Quasi-Verbot“ von alternativen Kandidaturen für die „reservierten“ Plätze. Das Verfahren, bestätigt Nord, garantiert nach Einschätzung des Landeswahlleiters „noch nicht ausreichend das alternative Vorschlagsrecht von Delegierten.“ Trotzdem will Nord bislang, wenn auch mit einigen Korrekturen, im Grundsatz an dem System von parteiinternen Vorwahlen als „Empfehlung“ für die Aufstellung der Landesliste festhalten.

Spannend sind die Beweggründe. Denn Nord geht es dabei nicht nur um regionale Ausgewogenheit. Gegenüber den PNN begründet der Linke-Chef sein Herangehen ausdrücklich auch mit dem Generationswechsel in Partei und Landtagsfraktion, der mit dem Weggang des langjährigen Fraktionschefs Lothar Bisky eingeleitet wurde. „Seine unumstrittene Autorität ist beim neuen Personal noch nicht im gleichen Maße vorhanden.“ Umso wichtiger aber sei es, so betonte Nord, eine „möglichst breit getragene Liste aufzustellen“, eine Verankerung der künftigen Fraktion in der Partei zu sichern.

Das ist zum Beispiel dann von Relevanz, wenn eine Regierungsfraktion der eigenen Parteibasis unpopuläre Entscheidungen vermitteln muss – was Nord als Kalkül nicht bestreitet: „Wir haben die Lehren aus der Anfangszeit von Rot-Rot in Berlin gezogen.“

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