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Recht standhaft. Innensenator Henkel und Polizei-Vizepräsidentin Koppers.

© dapd

Spitzel-Affäre: LKA Sachsen warnte Berlin vor V-Mann

In der Berliner Spitzel-Affäre werden neue Vorwürfe gegen das LKA laut. Die Beamten dort hätten bei der Anwerbung des mutmaßlichen NSU-Vertrauten Thomas S. eigenmächtig gehandelt und Warnungen ignoriert. Auch in der Politik geht die Suche nach den Verantwortlichen weiter.

Stand:

Berlin - In der Debatte um den Umgang der Berliner Behörden mit dem ehemaligen V-Mann aus dem NSU-Umfeld wird immer intensiver nach Verantwortlichen gesucht. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte erklärt, angesichts dessen, was ihm die Polizeiführung nach Gesprächen mit der Bundesanwaltschaft mitgeteilt hat, habe er sich angemessen verhalten. Die Behörde in Karlsruhe widersprach einer dabei angeblich getroffenen Absprache, sich vorerst nicht zum V-Mann Thomas S. zu äußern. Nun stellen einige die Frage, inwiefern die Zusammenarbeit von Polizei-Vizepräsidentin Margarete Koppers und ihrem Dienstherrn Henkel noch klappt.

Die Kommunikation zwischen der amtierenden Polizeichefin und dem Senator wird nicht zum ersten Mal kritisiert. Am 1. Mai dieses Jahres hatten Beamte an der Route der traditionellen 18-Uhr-Demonstration mit Schwarzpulvergemisch gefüllte Rohre gefunden. Den Fund der Sprengkörper hatte die Polizeiführung dem Innensenator tagelang nicht gemeldet. Koppers sagte später: „Ich habe es versäumt, den Senator persönlich über den aktualisierten Sachstand zu informieren.“

Dagegen stellte ein Polizeisprecher am Donnerstag klar: „Die Kommunikation zwischen der Polizeiführung und dem Innensenator ist gut und vertrauensvoll.“ Das sehen vor allem in der Opposition im Abgeordnetenhaus einige anders, betonten aber, Henkel sei in der politischen Verantwortung. Die Schuld an etwaigen Pannen anderen zu geben, der Bundesanwaltschaft oder der Polizeichefin, sei inzwischen wohl üblich, sagte Udo Wolf (Linke). So habe Henkel schon nach der verpatzten Rockerrazzia in diesem Mai von sich selbst abgelenkt. Und wenn Koppers mit Blick auf den NSU Fehler gemacht habe, sei dies politisch ein Fall für Henkel. „Er muss so etwas intern klären“, sagte Wolf. Ähnlich sehen es die Grünen. Auf Druck der Opposition soll am kommenden Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses weiter über die V-Mann-Affäre gesprochen werden.

In der CDU hält man sich mit öffentlichen Bekundungen zurück. Am Mittwoch hatten Abgeordnete der Union durchblicken lassen, dass Koppers den Senator womöglich falsch informiert habe – die Verantwortung läge demnach bei ihr und nicht bei Henkel. Am Donnerstag hieß es aus der CDU, der Streit zwischen beteiligten Behörden sei kontraproduktiv, wesentlicher sei, die Taten des NSU aufzuklären. Dies sieht man in der Opposition insofern ähnlich, als dass niemand lautstark Henkels Rücktritt fordert. „Der Senat soll aufklären“, sagte Wolf. Vom Bund Deutscher Kriminalbeamter hieß es, die Kommunikation zwischen Polizeiführung und Innensenator sei angesichts der zahlreichen Vorkommnisse in diesem Jahr immer noch gut. Sollten Politiker versuchen, die Verantwortung für Pannen bei Koppers festzumachen, sei dies mindestens „menschlich unfair“.

Innenexperte Benedikt Lux (Grüne) beklagte, dass es über die Treffen des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) mit dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer und V-Mann Thomas S. keine „ungefilterten Informationen“ gebe. Damit sei eine Aufklärung der Vorgänge kaum möglich. Das LKA müsse prüfen, ob weitere Unterlagen vorhanden seien. Zu den polizeiinternen Bedenken, den seinerzeit aktiven Rechtsextremen S. als V-Mann anzuwerben, sagte Lux: Die Umstände der Anwerbung des Spitzels müssten geklärt werden, zumal erfahrene Beamte offenbar Zweifel hatten. Andere Abgeordnete sprachen davon, dass sich nach Aktenlage ein „merkwürdiges Bild“ des LKA zeichne. Einige Beamte hätten dort wohl eigenmächtig agiert, nach dem Motto: „Es ist mir egal, wer über mir regiert.“ Angeworben wurde V-Mann Thomas S. unter Innensenator Eckart Werthebach (CDU).

Ob die Debatte um den NSU-Komplex die Besetzung des vakanten Postens des Polizeipräsidenten beeinflussen wird, ist nicht abzusehen.

Auf Koppers und Henkel könnte ein Termin vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zukommen. Wolfgang Wieland, Grünen-Obmann im Ausschuss, will die beiden vorladen. Noch ist nicht entschieden, ob sie tatsächlich kommen sollen. Die SPD würde lieber die beiden V-Mann-Führer des Berliner LKA anhören, die den Kontakt zu S. hielten. Sicher scheint jedoch, dass Henkels langjähriger Vorgänger, Ehrhart Körting (SPD), vor den Ausschuss geladen wird. Der größte Teil der V-Mann-Tätigkeit von Thomas S. fällt in Körtings Amtszeit. Er selbst hatte gesagt, er habe von S. nichts gewusst. Dennoch hatte er sich aus der Bund-Länder-Kommission „Rechtsterrorismus“ zurückgezogen.

Hannes Heine und Christian Tretbar

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