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Brandenburg: Lob für Brandenburgs Bleiberechtserlass Abschiebeverbot könnte Frau aus Nigeria helfen, die in Fürstenwalde Opfer rechter Gewalt wurde

Potsdam - Brandenburg hat für seinen deutschlandweit einmaligen Vorstoß, abgelehnten Asylbewerbern, die Opfer rechter Gewalt wurden, längeres Bleiberecht zu gewähren, viel Lob bekommen. Ayse Demir, Vorstandssprecherin beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg, sagte, das Land setze damit „ein starkes Zeichen gegen die stetig steigende rassistische Gewalt gegen geflüchtete Menschen in unserer Gesellschaft“.

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Potsdam - Brandenburg hat für seinen deutschlandweit einmaligen Vorstoß, abgelehnten Asylbewerbern, die Opfer rechter Gewalt wurden, längeres Bleiberecht zu gewähren, viel Lob bekommen. Ayse Demir, Vorstandssprecherin beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg, sagte, das Land setze damit „ein starkes Zeichen gegen die stetig steigende rassistische Gewalt gegen geflüchtete Menschen in unserer Gesellschaft“. Und das ausgerechnet zu jener Zeit, in der die Debatte um schnellere Abschiebungen Fahrt aufgenommen hat. Dem Opferschutz werde damit größeres Gewicht als einer restriktiven Abschiebepraxis beigemessen.

Kurz vor Weihnachten hatte das Innenministerium wie berichtet in einem Erlass an die Landkreise und kreisfreie Städte verfügt, dass abgelehnte Asylbewerber, die Opfer und Zeugen rechtsextremer Gewaltstrafttaten wurden, mindestens für die Dauer der Ermittlungs- und Strafverfahren gegen die Täter nicht mehr abgeschoben werden dürfen. Der Erlass geht auf eine Initiative der Grünen zurück, die von der rot-roten Koalition aufgegriffen wurde. Selbst die CDU nannte den Erlass einen „Akt der Menschlichkeit, an dem es nichts zu kritisieren gibt“. Lediglich die AfD-Fraktion warnte vor Missbrauch, der aber nach dem Erlass ausgeschlossen werden soll. Die AfD sprach von einem rot-roten Sonderweg, um Bundesrecht auszuhebeln, und erklärte: „Jetzt bleiben noch mehr Asylunberechtigte hier.“

Das Innenministerium hatte bei der Erarbeitung des Erlasses auch den Verein Opferperspektive zu Rate gezogen. Geschäftsführerin Judith Porath erklärte, Brandenburg sei damit Vorreiter und komme damit einer jahrelangen Forderung der Opferberatungsstellen nach. Für Opfer rassistischer Gewalt, aber auch Täter werde damit die ursprünglich beabsichtige Wirkung eines Angriffs umgedreht. Künftig sollen die Ausländerbehörden auch Stellungnahmen der Opferperspektive berücksichtigen. Denn je nach Schwere der Tat, der gesundheitlichen oder psychischen Folgen soll den Opfern auch nach Abschluss von Gerichtsverfahren ein Bleiberecht erteilt werden. Im Erlass heißt es dazu, dass es in besonders krassen Fällen ein erhebliches öffentliches Interesse des Landes Brandenburg daran gibt, den mutmaßlichen Tätern der Gewalttat zu verdeutlichen, dass ihrem Opfer durch eine Verfestigung des Aufenthalts Gerechigkeit widerfährt und das Gegenteil dessen erreicht wird, was die Täter beabsichtigten.

Die Opferperspektive hat bereits mehrere Fälle von rassistischen oder rechtsextremistischen Gewalttaten im Blick, bei denen Opfern durch den Erlass geholfen werden kann. Wie etwa einer alleinerziehenden Mutter, Anfang 40, aus Nigeria. Vor mehr als sechs Jahren war sie nach Deutschland geflüchtet und lebt mit ihrem elfjährigen Sohn in Fürstenwalde. Ihr Nachbar hatte sie über Monate drangsaliert, zwang sie zum Putzen des Hausflurs, belegte sie mit rassistischen Sprüchen.

Anfang April dann attackierte er die Frau. Sie hatte ihn zur Rede gestellt, weil er die Schuhe des Sohnes in den Müll warf, daraufhin schlug er mit der Faust auf sie ein. Sie erlitt einen Jochbeinbruch, die Halswirbelsäule und ein Auge wurden geschädigt. Derzeit kämpfen die Ärzte darum, das sie nicht einseitig erblindet. Zudem haben ihr die Ärzte eine Behandlung in der Traumaambulanz der Berliner Charité empfohlen. Die Opferpersektive ringt noch mit der Landessozialkasse um die Kosten für Sprachvermittler und Therapie.

Vor dem Angriff war die Familie in Deutschland nur geduldet, der Asylantrag war abgelehnt worden. Die Frau stand aber mit der Ausländerbehörde in Verhandlungen über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Dafür hätte sie aber ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen. Nach der Attacke musste sie wegen der Verletzungen die Suche nach einem Job aufgeben. Eine Aufenthaltserlaubnis gibt es deshalb nicht. Auch der Sohn, der fließend Deutsch spricht und als bestens intergiert gilt, braucht Hilfe. Er musste mit ansehen, wie seine Mutter im Hausflur verprügelt wurde.

Die Polizei hat den Angriff als rassistisch eingestuft, der Fall taucht in der Statistik als rechtsextreme, „politische motivierte Kriminalität“ auf. Der Strafprozess lässt noch auf sich warten, ein Gericht hat gegen den Mann aber ein Kontakt- und Näherungsverbot erlassen. Die kommunale Wohnungsgesellschaft kündigte ihm, er wohnt aber im selben Viertel.

Die Opferperspektive will der Frau bei einem Antrag helfen, um ihr und ihrem Sohn nach dem neuen Erlass des Innenministeriums ein Bleiberecht zu ermöglichen. Ein Problem sieht der Verein allerdings: An manchen Amtsgerichten in Brandenburg dauert es mehr als zwei Jahre, bis es zu einem Prozess kommt. Für die Opfer bedeutet das eine lange Ungewissheit. Für die Täter sind die Folgen oft mildere Strafen bis hin zur Einstellung des Verfahrens. Alexander Fröhlich

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