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Von Alexander Fröhlich: Lok-Nostalgie an alten Gleisen
Thomas Becken machte dem Bahn-Konzern einst mit einer Privatbahn Konkurrenz, heute betreibt er an alten Gleisen in der Prignitz und in Mecklenburg Hotels für Eisenbahn-Romantiker
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Putlitz - Lokomotiven sind sein Leben. Thomas Becken, Gründer der Prignitzer Eisenbahn (PEG) und der Ostdeutschen Eisenbahn (ODEG) und bis Sommer im Vorstand des Verkehrskonzerns Arriva, hat das große Geschäft verlassen. Jetzt macht er auf Nostalgie.
Sie heißen V 100, BR 50 oder V 180 und sind für Kenner ein Begriff. Auf diese hat es Thomas Becken abgesehen. In der Prignitz und direkt an der Landesgrenze in Mecklenburg-Vorpommern betreibt der 42-Jährige eine Kette von Eisenbahnromantik-Hotels. Eines am Plauer See empfängt seit August Gäste, es heißt V 100. Direkt vor dem Hotel steht eine Diesellok mit dieser Baureihen-Nummer. Rund 15 Minuten mit dem Auto weiter südlich im Prignitzer Meyenburg macht Becken in der ersten Dezemberwoche mit BR 50 das zweite Hotel direkt neben Gleisanlagen auf, benannt ist es nach der Dampflokbaureihe 50. Bei der ostdeutschen Reichsbahn waren diesen Fahrzeuge bis in die 1980er Jahre in Gebrauch.Im nächsten Jahr kommt in Ganzlin in einem alten Wasserturm der Bahn die Ferienwohnung V180 hinzu, Ein-Euro-Jobber vom Putlitz-Pritzwalker Eisenbahnförderverein restaurieren den Schnellzuglok dafür.
Becken sitzt im oberen Stockwerk eines alten Bahnhofgebäudes in der Prignitzer Kleinstadt Putlitz, von seinem Büro blickt er auf einen alten Lokschuppen, wo die Loks aufpoliert werden. Am Bahnsteig hält ein Doppelstockwagen, der mehrmals täglich in der Woche nach Pritzwalk fährt. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg hat die Strecke 2006 abbestellt, nun hält der Förderverein die Verbindung. Becken ist so etwas wie große Mann im Förderverein, der Strippenzieher. Er glaubt fest an den Erfolg seines neuen Projekts. „Es gibt so viele Liebhaber von Eisenbahnen. Das ist genau das, was sie wollen.“ Unter Aufsicht selbst mal eine Lok fahren etwa. Der Lokschuppen in Putlitz soll Museumswerkstatt werden, Erlebnisfahrten sind geplant. Für Januar haben Eishockey-Fans eine alte Ferkeltaxe gebucht, damit wollen sie sich zu einem Spiel der Eisbären nach Berlin fahren lassen. Von Putlitz aus startete Becken seine Karriere mit diesem Schienenbus aus den 1950er Jahren, der West-Variante der Ferkeltaxe. 30 000 Mark kostete das Gefährt. Becken und eine Handvoll Angestellte möbelten es wieder auf. 1996 gründete er mit der Prignitzer Eisenbahn das erste private Bahnunternehmen im Osten, er gilt als einer der erfolgreichsten der Branche, als Pionier. Die Ferkeltaxe fuhr zwischen Pritzwalk und Putlitz. Schnell kamen neue Strecken in Nord-Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern hinzu. Oft waren es Linien, die die Deutsche Bahn abgeschrieben hatte, Lokführer Becken aber erfolgreich bewirtschaftete: Mit Flexibilität, einem Fahrplan, der sich nach Schülern und Berufspendlern richtet, sowie motivierten Mitarbeitern. Schnell expandierte das Unternehmen, übernahm auch Güterverkehr, gründete mit der Hamburger Hochbahn die Ostdeutsche Eisenbahn, übernahm eine Linie im Ruhrgebiet, investierte mit Fördermitteln Millionensummen in neue Wagen und rettete nebenbei ein Bahnausbesserungswerk in Neustrelitz. Becken machte die PEG zum größten Arbeitgeber in der sonst so kargen Prignitz. Statt abzuwandern, blieben die Leute dort, wo sonst nichts ist – außer viel plattes Land.
2004 schließlich verkaufte Becken die PEG an den britischen Verkehrskonzern Arriva. Fast 500 Mitarbeiter hatte die Privatbahn zu dieser Zeit und einen Jahresumsatz von 60 Millionen Euro. Der gelernte Lokschlosser und frühere Lokführer wurde Vorstand der PE Arriva AG. Statt in Putlitz saß er in Hamburg oder Berlin am Schreibtisch, reiste viel herum, statt bei den Lokführern und den Angestellten aus seiner Heimat zu sein – ein Leben auf der Überholspur.
Im Sommer kam die große Überraschung, der Konzern meldete, dass Becken als Vorstand und Geschäftsführer abtritt. „Ein Großkonzern ist nicht mein Ding, damit kann ich mich nicht identifizieren“, sagt er heute. Becken ist nachdenklich geworden und gealtert, die Haare sind trotz seiner 42 Jahre schon grau. „Ich habe damit meine Gesundheit gerettet, stand kurz vor dem Burnout.“
Und nun Eisenbahn-Romantik, reines Tourismusgeschäft also, denn bis Jahresende läuft der Ausschlussvertrag Arriva. Bei Konkurrenten oder selbst im Bahnverkehr mitmischen darf Becken erst nächstes Jahr. Doch darüber redet er nicht viel, deutet nur an: Er heckt schon wieder etwas aus.
Ein Grund für Beckens Entschluss waren auch die Mitarbeiter in seiner Prignitzer Heimat, er selbst hatte sie eingestellt. Einige wurden inzwischen entlassen, die Stimmung ist dahin. Es war Beckens Erfolgsgeheimnis: Die Leute haben sich mit ihrem Unternehmen identifiziert, sich Firma eingesetzt. „Meine Stärke ist, mit Leuten umzugehen und sie zusammenzuhalten.“ Jetzt nach dem Neustart sagt er: „Ich kann mich noch im Spiegel ansehen und trotzdem gut leben.“
Becken ist wohl das, was man einen Unternehmer mit sozialem Gewissen nennt, er finanziert einen vor Jahren selbst gegründeten Fußballclub, spendet an Kitas und Vereine, auch wenn er es nicht erzählen will. „Ich habe bei Arriva Manager gesehen, die nicht aus dem Eisenbahnbereich kommen. Die haben kein Burnout, die nehmen ihr Geld und ziehen weiter, von den Leuten unten, den Angestellten, wissen sie nichts.“
Kontakt und Buchungen unter www.eisenbahnromantikhotels.de oder Eisenbahnromantik Hotel, Philosophenweg 2 in 19395 Plau am See, Telefon 038735 / 457 37
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