zum Hauptinhalt

Brandenburg: Löschen und bleiben

Sein Imbiss in Rheinsberg wurde viermal angezündet. Wegziehen will Mehmet Cimendag trotzdem nicht

Rheinsberg - Die Schüler von nebenan nennen ihnen kurz „Mehmet“. Im Bürgermeisterzimmer wird freundlich von „Herrn Cimendag“ gesprochen, während viele Einwohner das fremd klingende Wort umgehen und vom „Grillhaus“ reden. Dabei wären die Begriffe „Döner-Imbiss“ oder „Türke“ viel einfacher und auch vertrauter. Doch in Rheinsberg ist vieles anders.

Der Kurort im Norden Brandenburgs, gekrönt durch das Schloss und den Park, den Opernsommer und Tucholskys „Bilderbuch für Verliebte“, geht mit Mehmet Cimendag ganz besonders vorsichtig um. Ihm soll nichts mehr passieren. Dann wäre der Ruf Rheinsbergs bei den Touristen, die man doch so dringend braucht, wohl endgültig dahin. Denn der Imbiss von Cimendag ist seit Februar 2003 viermal angezündet worden. Immer hat die Stadt beim Aufbau danach geholfen, immer hat Cimendag von vorn angefangen.

Vor zwei Monaten öffnete der 22-jährige Türke sein neues „Grillhaus“. Bisher ist es ruhig geblieben. Der neue Name für den Imbiss auf dem Platz zwischen Schule, Friedhof und Supermarkt mutet etwas anmaßend an. Denn von einem „Grillhaus“ kann nicht wirklich gesprochen werden. Es gibt eine Theke, an Tische setzen kann man sich nicht. Mehmet Cimendag lacht. „Es ist doch kein Imbisswagen mehr, sondern ein festes Haus, innen sogar gefliest.“ Er verschweigt die entscheidenden Vorteile: Niemand kann wie bei einem Wagen einen Brandsatz unter den Fußboden werfen, die Luke über der kleinen Theke ist nur schmal. Außerdem soll das verwendete Material einem Feuer lange Zeit widerstehen. „Ich hoffe, so ein Anschlag passiert nie wieder“, sagt Cimendag. 1990 ist er mit seiner Familie aus der kurdischen Osttürkei nach Deutschland gekommen. Er schaut auf die beschädigte Reklametafel über der großen Glasfront. In der Nacht vor der Wiedereröffnung Anfang Dezember ging sie zu Bruch, getroffen von einem Stein oder mehreren Wurfgeschossen. Cimendag schüttelt mit dem Kopf und müht sich zu einem Lächeln. „Es gibt immer noch mehr gute Dinge im Leben als schlechte. Sonst wäre ich gar nicht mehr hier in Rheinsberg.“

Mehr als 70 Überfälle auf Döner- und Asia-Imbisse habe es seit der Wende in Brandenburg gegeben. Das hat ihm der in Brandenburg aktive Verein Opferperspektive gesagt. Immer seien Neonazis und Fremdenhasser als Täter ermittelt oder von Staatsanwaltschaft und Polizei vermutet worden.

Zu den guten Seiten in Rheinsberg zählt Mehmet Cimendag den Bürgermeister Manfred Richter, die rund 350 Menschen, die nach dem Anschlag 2003 auf seinen Imbisswagen aus Solidarität auf die Straße gegangen sind, das Innenministerium, die Ausländerbeauftragte und die vielen Kunden, die täglich kommen. Viele hätten Geld gespendet. Aber wichtiger sei der moralische Zuspruch gewesen.

„Die Menschen sind hier sehr freundlich zu mir. Da könnte man die gefährlich verwirrten Jugendlichen, die nur Blödsinn im Kopf haben, glatt vergessen.“ Täglich verkauft er bis zu 150 Döner, dazu Hähnchen und gemischte Salate. Bis vor einer Woche kostete der Döner nur 1,50 Euro. Wegen gestiegener Kosten musste er den Preis jetzt zwar auf 1,99 Euro erhöhen, was immer noch 50 Cent billiger ist als die Döner in Berlin. Bei so manchen Kunden schaut der Verkäufer nicht auf den exakten Preis. Da gibt es den Kaffee schon mal umsonst oder drei Döner zum Preis von einem. „Es geht doch vielen nicht sehr gut“, sagt er.

Trotz der vier Brandanschläge ist Mehmet Cimendag mit seiner Frau und seinem Sohn nach Rheinsberg gezogen. Ihm gefällt die Landschaft, in die habe er sich schon bei seiner ersten Reise durch Brandenburg vor vier Jahren verliebt. 30 Orte habe er sich damals angeschaut. Oft gab es jedoch schon einen Döner-Stand, oder der angebotene Platz stimmte nicht. „In Rheinsberg will ich nicht aufgeben, ich verdanke der Stadt viel“, sagt er ruhig.

Nur ein einziges Mal ermittelte die Polizei die Täter. Zwei 17-jährige Rechtsradikale hatten brennende Müllbeutel unter den Wagen geworfen. „Wir sind hier nicht in Türkenland, die brauchen das hier nicht zu verkaufen“, sagte einer vor Gericht. Vier Wochen Jugendarrest lautete das Urteil. Landesweit hatte im März vergangenen Jahres die Verurteilung einer Jugendbande aus dem Havelland Aufsehen erregt. Sie hatte bewusst Jagd auf Imbiss-Stände von Ausländern gemacht und einen enormen materiellen Schaden verursacht, von den psychischen Auswirkungen auf die Betreiber ganz zu schweigen. Das Gericht stufte die Bande daher als terroristische Vereinigung ein.

Beim letzten Anschlag im März 2005 brannte Cimendags Imbiss völlig aus. Bei 24 000 Euro lag der Verlust, rechneten Experten aus. Die Versicherung zahlte ein Drittel. Cimendag hat inzwischen seinen jüngeren Bruder angestellt und ist optimistisch. „Ich bin doch inzwischen ein richtiger Rheinsberger“, scherzt er und reicht dem nächsten Gast einen Döner. Die zerschlagene Scheibe an der Reklametafel hat er noch nicht repariert. Er ist sich nicht ganz sicher, ob sich das schon lohnt.

Zur Startseite