Von Thorsten metzner: Märkische „Kleinstaaterei“ auf Prüfstand
SPD plant Kreisgebietsreform / Linke drückt auf die Bremse / Grüne und CDU grundsätzlich offen
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Potsdam - Manche sprechen von „Kleinstaaterei“ oder von einer „Landräte-Republik“: Im dünnbesiedelten Land Brandenburg, das mit 14 Landkreisen eine der aufgeblähtesten Verwaltungen in Deutschland hat, kommt eine Kreisgebietsreform auf die Agenda. Unter dem Leitmotto „Brandenburg 2030“ will die von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführte SPD nach PNN-Informationen einen radikalen Umbau der staatlichen Strukturen im Land vorbereiten, der auch auf eine immer wieder vertagte Straffung der seit 1993 unveränderten Kreisgrenzen hinausläuft. Während der Linke-Koalitionspartner am Dienstag demonstrativ auf die Bremse drückte, zeigen sich oppositionelle Grüne und CDU grundsätzlich offen für eine Reform, drängen aber auf Solidität.
Die Union sprach sich überraschend für eine Enquete-Kommission des Landtages aus, die gemeinsam mit Experten Modelle für zeitgemäße Landes-, Kommunal- und Finanzstrukturen entwickeln soll. Nur so wäre auch eine breite Beteiligung gesichert, sagte CDU–Fraktionschefin Saskia Ludwig. Ein Grund für den Vorstoß sei die Befürchtung, dass die SPD sonst wie bei der Polizeireform „in Hinterzimmern“ Pläne entwickle und „von oben“ durchsetze. Die Enquetekommission müsse zunächst untersuchen, welche Effekte die letzte Gemeindereform unter dem damaligen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte, sagte CDU-Vizefraktionschef Sven Petke. Damals waren die vorher 1500 selbständigen Dörfer zu 420 Großgemeinden zwangsfusioniert worden.
Der CDU-Vorstoß stieß auf positive Resonanz. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sicherte eine „wohlwollende Prüfung“ zu, obwohl eine neue Enquetekommission – neben der bestehenden zur SED-Diktatur und dem Untersuchungsausschuss zur Immobilienaffäre – für kleine Fraktionen extrem belastend wäre. In der Sache gehen die Grünen am ohnehin am weitesten: Vogel sprach sich für eine Kommunal- und Kreisreform bis 2020 aus, nicht erst bis 2030, wie es die SPD ins Auge fasst. Bis dahin müsse das Land ohnehin auf eigenen Füßen stehen, so der Grünen-Politiker.
Die rot-rote Koalition lehnt eine Enquete-Kommission nicht rundweg ab. Zwar sei der Vorstoß der CDU „oberflächlich“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. Doch werde sich die SPD den Vorschlag in aller Ruhe ansehen, bevor man dazu eine abschließende Entscheidung treffe. Holzschuher verwies auf die anstehenden SPD-Regionalkonferenzen. Dort werde man mit den Menschen über das Brandenburg der Zukunft sprechen. Ziel sei eine ergebnisoffene Diskussion um Ziele, Aufgaben und Strukturen. „Niemand muss sich vor schnellen, radikalen Schnitten fürchten“, sagte er. In „aller Ruhe und Sorgfalt“ wolle man „ über die Herausforderungen der nächsten zehn, zwanzig Jahre in Brandenburg sprechen.“
Für die Linken sicherte Stefan Ludwig, Vizechef der Landtagsfraktion und der Landespartei, eine „sachliche Diskussion“ zu. Die Linken, die als Opposition früher selbst mehrfach – vergeblich – eine Enquete-Kommission gefordert hatten, drängen allerdings selbst auf eine solide Analyse. Ludwig hatte am Morgen selbst darauf hingewiesen, dass es in Brandenburg bislang bedauerlicherweise keine Enquete-Kommission zum demografischen Wandel gegeben habe. Für die Linken hätten freiwillige Zusammenschlüsse Priorität, das sei „das Gegenteil von Hinterzimmerpolitik!“. Eine Kreisreform und Zwangsfusionen bis 2014 lehnen die Linken allerdings ab.
Die Debatte ist in Bewegung. Kurz vor Weihnachten hatte Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) sich im Landtag grundsätzlich für eine neue Kommunalreform ausgesprochen. In einem danach öffentlich platzierten Strategie-Papier der sozialdemokratischen Arbeitergemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) war neben einer Kreisgebietsreform konkret die Fusion der drei finanzschwachen kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg und Frankfurt mit den jeweiligen Umlandkreisen gefordert worden. SPD-Vizeparteichefin Martina Münch sagte dazu, das Papier sei „nicht der Weisheit letzter Schluss“, die Debatte aber notwendig. Die Grünen sind gegen Zauderei. Damit könnte man sofort beginnen“, sagte Chef Axel Vogel: „Die finanzielle Notlage der drei Städte lässt es nicht zu, das auf die lange Bank zu schieben.“
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