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Brandenburg: „Markov soll in den Spiegel schauen“

Brandenburgs Ex-Staatskanzleichef Clemens Appel, Wortführer im Streit um Fahrtenbücher, kritisiert den Landesjustizminister Helmuth Markov für seine Privattour mit einem Landes-Transporter

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Potsdam - In der Dienstwagenaffäre von Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) meldet sich nun der Wortführer von amtierenden und früheren Ministern und Staatssekretären zu Wort, gegen die Markov 2012 als Finanzminister mit harter Hand im Streit um korrekte Fahrtenbücher vorgegangen war. Sie mussten hohe Steuernachzahlungen begleichen, von denen das Land nach einem Gerichtsurteil die Hälfte trägt.

Es geht um Clemens Appel, bis 2009 Staatskanzlei-Chef. Er kann sich über Markovs Dienstwagenaffäre nur wundern. War es doch Markov, der 2012 als Finanzminister äußerst penibel und überaus eifrig gegen eine Reihe amtierender und früherer Minister und Staatssekretäre wegen ungenau geführter Fahrtenbücher vorging. „Ich bin betroffen, weil ich damals von Markov betroffen war“, sagt Appel nun über die von den PNN enthüllte Dienstwagenaffäre des amtierenden Justizministers.

Appel erinnerte daran, dass es damals bei der rückwirkenden Überprüfung der Fahrtenbücher der Minister und Staatssekretäre bis ins Jahr 2007 gerade nicht um private Fahrten wie jetzt bei Markovs Fall gegangen sei – sondern ausdrücklich um Dienstfahrten, aber um ungenaue Angaben etwa zu besuchten Personen und die ganz genaue Bezeichnung des Fahrtziels. „Markov wollte damals mit dem Kopf durch die Wand“, sagt Appel.

Über Markovs Aussagen zu seiner eigenen Verfehlung – die Nutzung eines Transporters aus dem Landesfuhrpark für private Zwecke ohne rechtliche Grundlage im Juni 2010 – sagt Appel: „Wenn es jetzt so eine großzügige Auslegung und so eine Wortklauberei gibt, um das zu rechtfertigen, dann haut es einen vom Stuhl.“

Dass Markov für sein Motorradhobby zusätzlich zu seiner Dienst-Limousine, die er ohnehin privat nutzen durfte, noch extra einen Transporter aus dem Landesfuhrpark orderte, kann Appel, selbst Jurist, nicht nachvollziehen. „Das war rein privat. Das Richtige wäre für ihn kein Dienstwagen, sondern ein Leihwagen gewesen, bezahlt aus der eigenen Tasche.“ Und: „Bei uns hat er bei nicht privaten, sondern bei dienstlichen Fahrten hart durchgegriffen. Jetzt soll er mal in den Spiegel schauen.“

Die Kosten für die private Transporterfahrt trug das Finanzministerium: 435,30 Euro für eine Tour von 502 Kilometern. Der Steuerzahler-Bund warf Markov deshalb Selbstbedienungsmentalität vor. CDU und Grüne haben für Dienstag eine Sondersitzung des Finanzausschusses anberaumt. Markov beteuert indes seine Unschuld.

Die von Markov veranlasste Prüfung des Falls durch die Staatsanwaltschaft Potsdam läuft zum Teil ins Leere: Mögliche Straftatbestände – Untreue, Vorteilsannahme, Betrug – sind verjährt. Strafrechtlich käme noch Steuerhinterziehung infrage, hierbei beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist mit Erhalt des Steuerbescheids mit der zu niedrigen Steuer. Der Fiskus selbst kann zehn Jahre danach noch zugreifen. Hintergrund: Markov gab an, den Vorteil durch den Transporter versteuert zu haben – allerdings über die Ein-Prozent-Regelung für die deutlich teurere Dienst-Limousine. Fraglich ist, ob er den Transporter zusätzlich hätte versteuern müssen, da seine Dienst-Limousine ausschließlich ihm weiter zur Verfügung stand.

Zwar behaupten Markov und das Finanzministerium, seine Spritztour – entgegen aller Warnungen aus dem BLB – sei durch die damalige Dienstwagenrichtlinie gedeckt. Doch das Gegenteil ist nach PNN-Recherchen und aus Sicht mehrerer befragter Experten und Juristen der Fall. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann, selbst Jurist, sagte nach Prüfung der Vorschrift: „Die Benutzung des Transporters zu privaten Zwecken war rechtswidrig.“ Markov habe sich einen privaten Vorteil auf Kosten der Steuerzahler verschafft. Auch grundsätzlich ist es für Grüne-Fraktionschef Axel Vogel nicht erklärbar, warum bei Markovs damaligem Bruttoeinkommen von 137 680 Euro der Steuerzahler für die Tour, einen privaten Transport, aufkommen soll.

Zurück zu Clemens Appel und dem Streit um Fahrtenbücher: Nach der auf Markovs Weisung vorgenommenen Prüfung des Finanzministeriums im Jahr 2012 musste ein Großteil alter und Noch-Regierungsmitglieder nachträglich den Dienstwagen als Vorteil nach der Ein-Prozent-Regelung – ein Prozent vom Listenpreis der teuren Dienst-Limousinen – versteuern, was deutlich teurer ist als die Abrechnung der Privatfahrten nach Fahrtenbuch.

Auf die Betroffenen kamen horrende Steuernachforderungen zu. Insgesamt wurden „geldwerte Vorteile“ von 600 000 Euro bei allen Betroffenen nachgemeldet. 2013 erging dann ein Gerichtsurteil, demnach muss das Land die Hälfte der von Markov ausgelösten Steuernachforderungen selbst übernehmen. Der Grund: Das Finanzministerium und der BLB hatten eine Mitverantwortung für die Fahrtenbuch-Praxis. Appel handelte einen Mustervergleich mit dem Land aus: Es übernahm 50 Prozent des Steuerschadens und der vorgerichtlichen Kosten.

An dieser Stelle kommt Markovs eigene Dienstwagenaffäre ins Spiel – und die Ein-Prozent-Regelung für Dienst-Limousinen. Von BLB-Mitarbeitern hieß es, Markov selbst habe bis zur von ihm selbst veranlassten Prüfung 2012 wie die anderen Regierungsmitglieder Fahrtenbuch geführt. Demnach hätte auch Markov nachträglich auf die Ein-Prozent-Methode umgestellt. Bestätigt ist das nicht. Entsprechende PNN-Anfragen beim Finanz- und bei Justizressort vom Freitagnachmittag blieben unbeantwortet. Wenn das aber alles so wäre: Was steht in dem möglichen Fahrtenbuch von damals? Und warum erklärte das Finanzministerium am Freitag, Markov habe den Transporter ausdrücklich für private und dienstliche Zwecke angemeldet – obwohl es eine reine Privattour war?

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