
© dpa
Dienstwagenaffäre um Brandenburgs Justizminister: Markovs grotesker Hilferuf nach der Staatsanwaltschaft
In der Dienstwagenaffäre verheddert sich Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov immer mehr. Die von ihm angestoßene Untersuchung des Falls durch die Staatsanwaltschaft ist absurd. Warum?
Stand:
Potsdam - Zumindest die fünfte der sogenannten zehn Todsünden der Krisen-PR haben Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) und das Finanzministerium, das er vormals führte, begangen: „Halte Dich für unfehlbar.“ Nicht anders liest sich, was beide Ressorts am Freitag in Reaktion auf einen PNN-Bericht über Markovs Dienstwagenaffäre als Erklärungen verschickten.
Markov hatte im Juni 2010 für ein Wochenende von Freitag bis Montag einen Transporter aus dem Landesfuhrpark beim Landesbetrieb BLB für private Zwecke genutzt – es ging um sein Motorrad. Das Finanzministerium trug die Kosten für den Transporter: 435,30 Euro für eine Tour von 502 Kilometern. Der Steuerzahler-Bund warf Markov deshalb Selbstbedienungsmentalität vor.
"Selbst bedient" - die PNN-Recherchen zu Markovs Dienstwagenaffäre lesen Sie hier
Markov: Ich hatte keinen privaten Vorteil
Markov selbst erklärte am Freitag: „Mein Credo war es immer, aus einer dienstlichen Funktion oder einem Amt keine privaten Vorteile zu ziehen. Das war auch hier nicht der Fall.“ Daher habe er die Staatsanwaltschaft Potsdam um Prüfung seines Falls auf Straftaten gebeten – „obgleich ich von meiner Unschuld überzeugt bin“.
Tatsächlich ist die Beauftragung der Staatsanwaltschaft, die sorgfältig prüfen will, wohlfeil, wenn nicht sogar grotesk. Nicht nur weil er als Minister eine ihm unterstehende Behörde mit seiner Privatsache betraut. Zudem ist es ein durchschaubares Manöver: Denn entweder kennt der Justizminister nicht die Rechtslage oder er versucht sich durch eine Pro-forma-Prüfung eine weiße Weste zu verschaffen. Denn mögliche Straftatbestände wie Untreue oder Vorteilsnahme sind nach fünf Jahren verjährt – und das ist lange vorbei.
Die Dienstwagenrichtlinie ist eindeutig - die Transportertour nicht erlaubt
Stattdessen wäre es wohl tauglicher gewesen, einen Fachmann für Verwaltungsrecht zu beauftragen, der die damals geltende Dienstwagenkraftfahrzeugrichtlinie prüft. Denn gegen die hat Markov nach PNN-Recherchen und Befragung mehrerer Steuerexperten und Verwaltungsrechtler verstoßen. Mehr noch: Er hat den BLB, dessen Mitarbeiter sich nach PNN-Recherchen zunächst gegen Markovs Transporter-Order wehrten und vor Verstößen warnten, mit hineingezogen.
Markov jedoch bleibt dabei: „Die private Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen hat die damalige Kfz-Richtlinie, wie auch die aktuelle, erlaubt.“ Auch das Finanzministerium erneuert die Behauptung, die Richtlinie erlaube den Ministern nicht nur die private Nutzung ihrer persönlichen Minister-Dienstwagen, sondern ermögliche ihnen auch die Nutzung weiterer Fahrzeuge.
CDU-Politiker Redmann: Die Transporterfahrt war rechtswidrig
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann, selbst Jurist, widerspricht. Er hat sich die Mühe gemacht, die Richtlinie nach ihrer Rechtssystematik zu prüfen und kommt zu demselben Ergebnis wie alle anderen von den PNN befragten Experten: Demnach dürfen Minister nur die ihnen persönlich und dauerhaft zur Verfügung gestellten Dienst-Limousinen auch privat nutzen: „Nicht-personengebundene Fahrzeuge dürfen ausschließlich für dienstliche Zwecke verwendet werden“, sagte Redmann den PNN. Private Nutzungszwecke erwähne die Richtlinie für die üblichen Fahrzeuge aus der Flotte des Fuhrparks nicht. „Rechtssystematisch ist die Privatnutzung für nicht-personengebundene Fahrzeuge sogar ausgeschlossen.“ Oder anders formuliert: „Die Benutzung des Transporters zu privaten Zwecken war rechtswidrig“, sagte Redmann. „Minister Markov hat sich einen privaten Vorteil auf Kosten der Steuerzahler verschafft. Minister dürfen sich nicht nach Belieben im Landesfuhrpark bedienen.“
Sondersitzung des Finanzausschusses im Landtag
Die Oppositionsfraktionen Grüne und CDU haben nun für Dienstag eine Sondersitzung des Finanzausschusses anberaumt. CDU-Finanzexperte Steeven Bretz warf Markov persönliche Vorteilsnahme vor, die eindeutig gegen geltendes Recht verstoße. „Was für den normalen Bürger unmöglich ist, gönnt sich Helmuth Markov mit einer Selbstverständlichkeit, die sprachlos macht. Ich weiß nicht, was schlimmer ist, dass sich ein Minister für private Zwecke beim steuerfinanzierten Fuhrpark des Landes bedient oder dass er das auch noch völlig in Ordnung findet.“
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Fast 140 000 Jahresbrutto-Einkommen - da wäre ein Leihwagen drin
Grüne-Fraktionschef Axel Vogel sagte, bei Markovs damaligen Bruttoeinkommen von jährlich 137 680 Euro sei niemandem zu erklären, warum der Steuerzahler dafür aufkommen soll, wenn der Minister private Dinge zu transportieren hat. „Mietwagen sind auch für Minister verfügbar“, so Vogel. „Gerade als damaliger Finanzminister hätte er aufgrund seiner Vorbildfunktion für alle Landesbediensteten einen besonders strengen Maßstab bei seinem Handeln an den Tag legen müssen.“ Selbst wenn Markovs Vorgehen durch die Dienstkraftfahrzeugrichtlinie gedeckt wäre, sei für einen Minister „nicht alles opportun, was rechtlich gerade noch geht.“ Nur weil eine Handlung nicht illegal sei, sei sie noch lange nicht moralisch korrekt.
An dieser Stelle ist es auch hinfällig, ob Markov den Vorteil durch den Transporter versteuert hat. Das Finanzministerium beharrt jedenfalls wie Markov darauf, dass er das nach der so genannten Ein-Prozent-Methode für das Jahr 2010 getan hat, allerdings nur seinen Dienst-Audi A4. Es reicht nach Ansicht des Finanzressorts, dass bei Überlassung mehrerer Fahrzeuge der private Nutzwert nach dem Listenpreis des teureren Wagens berechnet wird. Dabei urteilte der Bundesfinanzhof 2013 anders – und so sehen es auch von den PNN befragte renommierte Steueranwälte: Würde jemandem mehr als ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen, müsse der Vorteil für jedes Fahrzeug nach der Ein-Prozent-Regelung berechnet werden. Denn, so bestätigte es auch der BLB, Markov konnte über den Dienst-Audi weiter verfügen. Er wurde nicht eingetauscht und nicht beim Fuhrpark abgegeben.
Finanzministerium: Markov wollte Transporter auch dienstlich haben
Interessant ist übrigens, was das Finanzministerium sonst noch mitteilte. Markov habe damals den Transporter für dienstliche und private Zwecke „ausdrücklich angemeldet“, auch wenn das nach der Richtlinie und aus Sicht der BLB-Mitarbeiter gar nicht möglich war. Der CDU-Politiker Redmann fragt sich deshalb: Was wäre, wenn Markov den Dienst-Zweck nur behauptet, den Wagen aber nur privat genutzt hat? Betrug? Aber das wäre ebenfalls verjährt.
Übrigens die sechste Todsünde der Krisen-PR lautet: „Sage nur die Wahrheit, wenn es nicht mehr anders geht... und wenn, dann nur scheibchenweise.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: