Brandenburg: Mehr DDR-Historie in die Schule
Berlins SPD-Chef Müller und der Vizepräsident des Bundestags, Thierse, kritisieren Lehrpläne
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Berlin - Die aktuelle Diskussion über den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze und an der Mauer hat auch die Rolle der Schulen bei der Vermittlung der DDR-Geschichte wieder in den Fokus gerückt. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Thierse (SPD), kritisierte in einem Radiointerview, dass die Lehrpläne noch zu wenig Gelegenheit für eine ausreichende Auseinandersetzung mit der DDR böten. Sie müssten entsprechend überarbeitet werden.
Umfragen unter Jugendlichen belegen seit Jahren, dass die Kenntnisse über die ostdeutsche Diktatur erschreckend gering sind. Viele Schüler verlassen nach der zehnten Klasse die Schule, ohne dort im Unterricht die DDR behandelt zu haben. Zwar ist das Thema in den Lehrplänen der zehnten Klassen vorgesehen. Jedoch schaffen es viele Lehrer nicht, bis dahin vorzustoßen. Eine Umfrage dieser Zeitung unter Berliner Jugendlichen hatte schon 2004 ergeben, dass die Kenntnisse unter Zehntklässlern minimal waren. Insbesondere Schülern in den östlichen Bezirken der Bundeshauptstadt fiel zum Thema „DDR“ nur noch ein, dass dort alle Arbeit hatten. Ihnen war weder die Zahl der Mauertoten bekannt noch der ungefähre Aufbau des zweiten deutschen Staates.
Unterstützung erhält Thierse vom Berliner SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller. „Thierse hat Recht, dass in den Lehrplänen die jüngste Geschichte, also Mauerbau, DDR-Zeit und die deutsche Wiedervereinigung zu wenig berücksichtigt wird“, sagte Müller dieser Zeitung. Die Geschichte der deutschen Teilung dürfe aber nicht nur im Unterricht aufgearbeitet werden. Müller, der Vater von zwei Kinder ist, will auch die Eltern in die Pflicht nehmen. „Gerade in Berlin ist die jüngste deutsche Geschichte sehr anschaulich. Das erlebt man schon bei Streifzügen durch die Stadt. Und zusätzlich sollten die Eltern, die die Mauer noch miterlebt haben, einfach mal ihren Kindern erzählen, wie es war, wenn man an der Grenze gestanden hat, wie es war, wenn man seine Verwandten im Ostteil der Stadt oder in der DDR besucht hat, wie man Päckchen geschickt oder bekommen hat – oder auch, wie es war, wenn man sich nicht besuchen durfte.“
Der 13. August und die Teilung Deutschlands habe in nahezu jeder Familie tiefe Einschnitte hinterlassen. Das müsse an die jüngere Generation weitervermittelt werden. „Das Sprechen über das eigene Erleben und die Erfahrungen, die man während der deutschen Teilung gemacht hat, kann lehrreicher sein als die bloße Vermittlung im Unterricht “, sagte Müller.
Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung wies die Forderung Thierses zurück. Die Rahmenpläne seien bereits verändert worden, sagte Behördensprecher Kenneth Frisse. Sie seien „knapper und vor allem kompetenzorientiert“. Dadurch solle gewährleistet sein, dass die Schulen nicht vor der DDR an „irgendeinem Einzelthema“ hängen bleiben. Generell gilt in Berlin seit rund zwei Jahren, dass nur noch 60 Prozent der Unterrichtsinhalte festgeschrieben werden. Der Rest ist vom Lehrer flexibel zu füllen. sib/sve
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