Brandenburg: Mehr häusliche Gewalt
Immer häufiger wird die Polizei gerufen, wenn es in den eigenen vier Wänden zu Gewalt kommt. Frauenhäuser sehen aber noch Mängel in der Opferhilfe
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Potsdam - Hier ein Schubs, da ein Wutanfall und oft genug schwere körperliche und psychische Wunden: In 3647 registrierten Fällen häuslicher Gewalt wurden Familienmitglieder oder Partner im vergangenen Jahr zur Bedrohung für ihre Nächsten. Ein Anstieg von fast 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie die Sprecherin des Polizeipräsidiums in Potsdam, Stefanie Klaus, berichtet. Gleichzusetzen mit mehr Gewalt ist dies jedoch nicht automatisch: „Ursächlich dafür könnte eine erhöhte Anzeigenbereitschaft der Opfer und Geschädigten sein“, so Klaus.
Auch bei der Opferhilfe hat sich in den vergangenen zehn Jahren einiges bewegt, wie eine Umfrage ergab: Nach der bundesweiten Einführung des Platzverweises im Jahr 2002 sind die Frauen prügelnder Ehegatten nicht mehr zur Flucht gezwungen. „Eine echte Errungenschaft“, betont Beate Schädler, Mitarbeiterin des Frauenhauses in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin). „Außer dem Täter muss niemand sein soziales Umfeld verlassen.“ Die Opfer gewinnen damit zunächst einige Tage Ruhe. Die Frauen könnten sich dann entscheiden, ob sie vorerst in eines der landesweit 16 Frauenhäuser mit 225 Plätzen gehen möchten. Auch fünf Frauenschutzwohnungen mit insgesamt 42 Plätzen stehen den Opfern offen. „Die Einrichtungen in Potsdam und um Berlin sind meistens sehr ausgelastet“, berichtet Schädler.
Rund 2,3 Millionen Euro jährlich erhalten die Häuser und Schutzwohnungen zwischen Prenzlau und Lauchhammer vom Land, den Kommunen und Trägern. „Gewalt gegen Frauen und Kinder muss entschlossen bekämpft werden“, fordert Sozialminister Günter Baaske (SPD). Seit 2001 verfolge die Landesregierung deswegen einen Aktionsplan. „Es ist gelungen, die Zusammenarbeit zwischen den Ministerien, Frauenhilfeeinrichtungen, Polizei, Kommunen und anderen Partnern eng zu verzahnen“, meint Baaske.
Nach Angaben der Gleichstellungsbeauftragten des Landes, Friederike Haase, lassen sich immer mehr Frauen beraten: „Die Zahl der Beratungen steigt“, sagt Haase. „Außerdem müssen die Angebote so einfach zugänglich wie möglich sein.“ Broschüren in Ämtern, die Betroffene unauffällig einstecken könnten, und Schulungen für Ärzte und Erzieher sieht sie als wichtige Maßnahmen im Kampf gegen Gewalt. Wirksam sei auch die mobile Beratung – ein Bus, der in die Gemeinden fährt und ambulante Beratung bietet.
Beate Schädler aus Neuruppin sieht jedoch Verbesserungsbedarf. Insbesondere bei den sogenannten Interventionen, wenn Frauenschutzinitiativen im Auftrag der Polizei aktiv werden und sich an Opfer wenden, sei das Netz grobmaschiger geworden. „Diese Fälle sind seit der Polizeireform im Land stark rückgängig“, kritisiert sie. Durch neue Zuständigkeiten und Einsatzbereiche der Beamten habe sich die Kooperation verschlechtert. „2011 hatten wir in Neuruppin 47 Interventionen, in 2012 waren es bis jetzt nur zehn.“ Angie Pohlers
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