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Brandenburg: Mehr Kohlendioxid, weniger CCS

Umwelt- und Bürgerinitiativen kritisieren neues Vattenfall-Konzept. Konzern will mit Biomasse aus Afrika CO2-Bilanz verbessern

Von Matthias Matern

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Potsdam - Umwelt- und Bürgerinitiativen im Land Brandenburg werfen dem Energiekonzern Vattenfall vor, die CCS-Technologie als „Feigenblatt“ für eine verlängerte, herkömmliche Braunkohleverstromung missbrauchen zu wollen. Anstatt, wie zuerst geplant, einen alten Block des Kohlekraftwerkes Jänschwalde (Spree-Neiße) durch die CCS-Demonstrationsanlage zu ersetzen, habe Vattenfall vor, diesen parallel weiter laufen zu lassen, kritisierte René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus der Grünen Liga in Brandenburg am Montag in Potsdam. Dies gehe aus dem überarbeiteten Konzept des Konzerns zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid hervor, so Schuster. „Jetzt soll weniger CO2 verpresst, dafür mehr in die Atmosphäre geblasen werden.“

Wie berichtet, hatte Vattenfall das neue Konzept im September im Wirtschaftsausschuss des brandenburgischen Landtages vorgestellt und war auf Skepsis gestoßen. Demnach plant der Konzern jetzt den Bau eines neuen, aber kleineren und selbstständigen Kraftwerkblocks mit CCS-Technologie (Carbon, Capture and Storage) und will zudem einen alten Block umrüsten. Ein weiterer Block mit herkömmlicher Technik soll doch nicht abgeschaltet und als Sicherheitsreserve vorgehalten werden, sondern dauerhaft laufen. „Das finde ich schade“, sagte gestern Thomas Domres, Linke-Mitglied im Wirtschaftsausschuss. „Ziel sollte es sein, ein bis zwei Blöcke abzuschalten.“

Zusammen mit der Lausitzer Bürgerinitiative „Klinger Runde“ und der Bürgerinitiative „CO2-Endlager stoppen“ aus Beeskow (Oder-Spree) hatte die Grüne Liga die neuen Pläne ebenfalls ausgewertet. „So ist das Argument Klimaschutz für das CCS-Projekt nicht mehr haltbar“, sagte Mike Kess, Sprecher der Beeskower Initiative gestern. Das in Jänschwalde abgeschiedene Kohlendioxid will Vattenfall bei Beeskow und bei Neutrebbin (Märkisch-Oderland) unterirdisch einlagern.

Laut Bürgeriniativen und Grüner Liga wird die Kohlendioxid-Menge, die in Jänschwalde entsteht, insgesamt steigen, von derzeit rund 24 Millionen Tonnen jährlich auf mehr als 25 Millionen Tonnen. Zudem wolle Vattenfall künftig nur noch 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr, anstatt wie bisher angekündigt, bis zu drei Millionen Tonnen unterirdisch speichern. Damit sei das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um zwei Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren, nicht zu erreichen, betonte René Schuster. „Wenn am Ende mehr Kohlendioxid zu Buche schlägt, wird es mit einer Genehmigung schwer“, warnte Domres. Auch aus dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium heißt es, „oberste Priorität“ hätten die Einsparziele.

Dass die Emissionen steigen würden, weist Vattenfall jedoch zurück. Durch die Überarbeitung der CCS-Pläne werde der Kohlendioxid-Ausstoß jährlich sogar um rund 200 000 Tonnen gesenkt, sagte Vattenfallsprecherin Katharina Bloemer. Grund sei ein verbesserter Wirkungsgrad der neuen Anlage von rund 36 Prozent.

Um die Einsparungsziele zu erreichen, will Vattenfall, wie berichtet, zudem einen Teil der Braunkohle durch CO2-neutrale Biomasse, wie Holzhackschnitzel, ersetzen. Politiker der Landtagsfraktionen halten dies jedoch für fragwürdig. „Wenn die Biomasse aus der Region kommt, ist das in Ordnung. Aber der Markt ist bekanntlich leer gefegt“, meinte gestern etwa Reinhold Dellmann, SPD-Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Müsste der Rohstoff jedoch erst über lange Strecken angeliefert werden, würde die Klimaschutz-Idee „ad absurdum geführt“, sagte Dellmann weiter. „Allein durch den Transport würde die CO2-Bilanz ins Negative verkehrt“, so auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel.

Laut Vattenfall-Sprecherin Bloemer soll die Biomasse aus Brandenburg und aus dem westafrikanischen Liberia kommen. „Der Transport ist bei unseren Berechnungen bereits berücksichtigt“, versicherte Bloemer. Matthias Matern

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