Von Thorsten Metzner, Potsdam: Mehr Licht mit Schatten
Brandenburg gehört zu den Pisa-Gewinnern – fachlich, nicht sozial
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Lange war das Land Brandenburg berüchtigt für Negativ-Schlagzeilen – auch wegen des geringen Bildungsniveaus seiner Schüler. Nun gehört die Mark, gerade erst als Spitzenreiter in Deutschland bei der Förderung von erneuerbaren Energien ausgezeichnet, völlig überraschend zu den Pisa-Gewinnern. „Wir sind in der Vergangenheit oft zu Recht gescholten worden und sind diesmal der Aufsteiger des Jahres“, sagte Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) am Dienstag den PNN. Tatsächlich hat sich kein anderes Bundesland seit dem letzten Pisa-E-Bildungstest 2003 in allen drei Kompetenzfeldern Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften so stark verbessert wie Brandenburg, das vorher bei solchen Vergleichen stets unter den Schlusslichtern war. Die märkischen Schüler, 2000 noch bundesweit Pisa-Vorletzte, arbeiteten sich im Gesamtranking jetzt auf Platz acht vor: Sie ließen westdeutsche Flächenländer wie Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hinter sich.
Platzeck führte dies auf die konsequenten und beharrlichen Reformen in der Bildungspolitik der letzten Jahre zurück, die 1999/2000 noch unter dem damaligen SPD-Bildungsminister Steffen Reiche eingeleitet und von dessen Nachfolger Holger Rupprecht (SPD) seit 2004 forciert worden waren. Seitdem waren neue Lehrpläne und zentrale Leistungstests eingeführt, insbesondere auf Druck der CDU Leistungsanforderungen, aber auch der Leistungsdruck an den Schulen erhöht worden, was nicht unumstritten war.
So wertete die CDU die Verbesserung als Erfolg der Bildungsoffensive und der CDU-Regierungsbeteiligung. Mit der Betonung von Leistung und Förderung individueller Begabungen sei die Handschrift der CDU in der Bildungspolitik deutlich sichtbar, betonten die Landesvorsitzende Johanna Wanka und der Bildungsexperte Ingo Senftleben.
„Bildungspolitik wirkt langfristig. Wir sind auf einem guten Weg“, betonte auch Platzeck. Denn nach den 2006 geschriebenen Tests seien etwa noch aus Real- und Gesamtschulen die Oberschulen gebildet und das Zentralabitur eingeführt worden. Man könne davon ausgehen, dass Brandenburg „noch besser werde“.
Das sieht auch Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) so: Der Abstand zu den Spitzenreitern Sachsen und Bayern habe sich verringert. Besonders erfreulich sei der große Leistungssprung bei den Naturwissenschaften und in Mathematik.
In Mathematik konnte Brandenburg einen Sprung vom Platz 12 im Jahr 2003 auf jetzt Platz Fünf hinter Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen machen. Und in den Naturwissenschaften, wo das Land 2003 vorletzter war, liegt es jetzt auf Platz acht.
Allerdings ist nach Worten von Rupprecht noch genügend zu tun – auch dafür gebe es in der neuen Studie „Alarmsignale“. Neben der zu schwachen Lesekompetenz (Platz 11) falle auf, dass die „Risikogruppe“ leistungsschwacher Schüler – mit 22 bis 24 Prozent – „viel zu groß“ sei, nicht abgenommen habe. Und „unerklärlich“ ist für Rupprecht und die Experten seines Hauses bislang, dass laut Pisa-E die Bildungschancen auch in Brandenburg – anders als bei früheren Tests – stärker von der sozialen Herkunft abhängen, was dem stets propagierten Anspruch von Regierungschef Platzeck widerspricht, angesichts der Geburtenrückgänge „kein Kind zurückzulassen“.
Noch 2005 hatte Rupprecht angesichts der damaligen Studienergebnisse verkündet: „In keinem anderen Land entscheidet die soziale Herkunft eines Schülers über dessen schulischen Erfolg so wenig wie in Brandenburg.“ Nun heißt es im Pisa-Ländervergleich: „Für Brandenburg wurde ein bedeutsamer Anstieg des sozialen Gradienten von PISA 2000 nach PISA 2006 festgestellt.“
Pisa macht die Entwicklung unter anderem daran fest, wie viele Schüler welcher Schicht das Gymnasium besuchen. Dazu wurden jeweils die höchste und die niedrigste der sieben Schichten betrachtet. Im Jahr 2000 war der Unterschied im Land Brandenburg besonders gering: 53,1 Prozent der Kinder aus der höchsten und 17,5 Prozent der niedrigsten sozialen Schicht gingen aufs Gymnasium. 2006 schafften schon 62,7 Prozent aus der obersten Schicht den Sprung aufs Gymnasium, aus der untersten Schicht aber nur noch 15 Prozent.
So warnte die Linke-Opposition prompt, nach dem guten Abschneiden die „gravierenden Defizite“ des märkischen Schulsystems zu bagatellisieren, das „chronisch unterfinanziert“ sei und „keine Chancengleichheit“ sichere. (mit dpa)
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