Brandenburg: Meuterei unter Piraten
Berliner Landesverband prüft eine Abspaltung
Stand:
Berlin - Der Ton zwischen Bundesvorstand und den Berliner Piraten wird immer schärfer. Der politische Bundesgeschäftsführer Kristos Thingilouthis forderte per Tweet den Berliner Landesvorstand auf, „alles zu tun, um die Einheit der Piratenpartei zu sichern“. Es könne nicht angehen, in der Öffentlichkeit „laut über eine Abspaltung“ nachzudenken. Der Berliner Landeschef Christopher Lauer sagte vor einem Treffen der „Progressiven Plattform“ am Montagabend im Wilmersdorfer „Büro der guten Laune“ von Fraktionschef Martin Delius, der Bundesvorstand habe sich bisher nicht beim Landesvorstand gemeldet. „Der Vorgang ist einmalig. Offenbar möchte der Bundesvorstand die Situation eskalieren lassen“, sagte Lauer. Damit bekräftige er „Leute, die eine Abspaltung wollen“.
Die Mehrheit der Berliner Piraten sind spätestens seit dem Bundesparteitag im Juni in Halle nicht mehr zufrieden mit der Richtung, in die die Bundespartei driftet. Als Reaktion darauf hatte sich wie berichtet die „Progressive Plattform“ gegründet. Sie will laut eigenem Selbstverständnis die Leute auffangen, „die sich durch die Unfähigkeit der Bundespartei, tragfähige Strukturen und Interessenausgleiche zu schaffen, demotiviert fühlen“. Zu der inzwischen mehr als 200 Mitglieder zählenden Plattform gehören die Europaparlamentarierin Julia Reda, Ex-Parteichef Thorsten Wirth, der sächsische Landesvorsitzende Marcel Ritschel und die bekannte Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg. Unter den Piraten im Abgeordnetenhaus gehören Oliver Höfinghoff und Martin Delius der Plattform an.
Mittlerweile wurde in der parteiinternen Meinungsbildungsplattform „Liquid Feedback“ des Berliner Landesverbands mit Mehrheit ein Antrag beschlossen, demzufolge der Landesvorstand prüfen soll, unter welchen Bedingungen sich die Berliner Partei vom Bundesverband abspalten könnte. Christopher Lauer sagte dieser Zeitung, eine Vorprüfung habe ergeben, dass eine Abspaltung „überaus kompliziert“ sei. „Da könnte man besser direkt eine neue Partei gründen.“
Lauer gilt als politischer Intimfeind des neues Bundesvorsitzenden Stefan Körner. Der Berliner Parteichef und Abgeordnete hatte auf dem Bundesparteitag in Halle ebenfalls für einen Posten im Vorstand kandidiert, war aber mit einer höchst umstrittenen formalen Begründung in letzter Minute vom Wahlgang ausgeschlossen worden. Nachdem der konservative Flügel die Parteispitze übernommen hatte, war der Streit in der Partei hochgekocht. Der Flügel will sich wieder auf die Internet-Kernthemen fokussieren statt auf „unser linkes progressives Programm“, sagte Fraktionschef Delius. Parteichef Lauer spricht über die inhaltliche Ausrichtung des konservativen Flügels von einem „erzkonservativen Netzparteischeiß“.
Dass sich nun auch die linken Piraten formal zusammenschließen, hängt mit der schweren Niederlage zusammen, die sie auf dem Bundesparteitag im Juni in Halle erlitten haben. Sämtliche Kandidaten des linken Flügels fielen bei der Vorstandswahl durch. Dem sozialliberalen Flügel gelang es, alle Posten zu besetzen. Nun steht die Frage im Raum, ob die beiden Gruppierungen überhaupt noch in einer Partei zusammenarbeiten wollen. Kernanliegen der Linken ist eine so genannte Ständige Mitgliederversammlung im Netz, mit der programmatische Arbeit vorangebracht werden soll. Der konservative Flügel der Partei lehnt das bisher jedoch ab.
Sabine Beikler/Karin Christmann
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: