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Mittel zum Leben. Landwirte protestierten vor der Lagerzentrale der Handelskette Aldi in Mittenwalde gegen den Preisdruck von Molkereien und Handel.

© Ralf Hirschberger/dpa

Brandenburg: Milch-Korso gegen Dumpingpreise

Brandenburger Milchbauern kämpfen um ihre Existenz, weil der Preis für Milch drastisch gefallen ist. Nun protestierten sie

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Potsdam - Brandenburger Landwirte haben mit einem „Milch-Korso“ gegen sinkende Preise insbesondere für Milch und Schweinefleisch demonstriert. Mehr als 80 landwirtschaftliche Betriebe beteiligten sich nach Angaben des Landesbauernverbands (LBV) am Montag an der Treckerfahrt von Storkow (Oder-Spree) nach Lehnin (Potsdam-Mittelmark).

Nach Verbandsangaben droht den deutschen Landwirten unter anderem wegen des Russland-Embargos und der Abschaffung der Milchquote in diesem Jahr ein Erlösausfall von 6,2 Milliarden Euro. Viele der rund 80 000 deutschen Milchbauern haben ernste Probleme, weil der Milchpreis zuletzt drastisch von rund 40 Cent pro Kilo Rohmilch auf unter 30 Cent gesunken ist.

„Wir Brandenburger Bauern fordern von der EU praxistaugliche Entscheidungen für marktstabilisierende Maßnahmen“, erklärte LBV-Präsident Udo Folgart. Dies müsse unter anderem eine EU-Exportoffensive und Ausgleichszahlungen beinhalten.

Von der Bundespolitik verlangen die Landwirte die Einführung einer Risikoausgleichrücklage. Es sei dringend angezeigt, dass in guten Erntejahren Einnahmen steuerfrei zurückgelegt werden dürfen, um in Zeiten schlechter Ernten darauf zurückgreifen zu können, erklärte LBV-Vizepräsident Hendrik Wendorff.

„Der LBV lässt seine Mitglieder ins Leere laufen, solange er keine konkreten Forderungen stellt“, bemängelte Bauernbund-Vorstand Jens Gerloff, der Interessenvertreter der bäuerlichen Familienbetriebe in Brandenburg. Er frage sich, warum der LBV nicht die vom Bund Deutscher Milchviehhalter vorgeschlagene vorübergehende Deckelung der Milchproduktion unterstützt. Scharf kritisierte der Bauernbund auch die gleichzeitigen Bestrebungen des Deutschen Bauernverbandes, beim heute beginnenden Sondergipfel der EU-Agrarminister Liquiditätshilfen, Bürgschaften und Steuerstundungen für in Existenznot geratene Betriebe durchzusetzen. Gerloff: „Das nützt doch nur den Vollgas-Betrieben, vor allem in Nordwestdeutschland, die mit ungesunden Wachstumsschritten die Überproduktion und damit die schlechten Preise erst verursacht haben.“ Unter der Milchkrise würden alle Milcherzeuger leiden, auch diejenigen, die solide wirtschaften und nicht immer nach staatlichen Hilfen schreien.

Die Rückkehr zur Milchquote bringe wenig, betonte Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger. Der Milchpreis-Verfall habe internationale Ursachen. Deshalb plädiert der SPD-Politiker darauf, „den Draht nach Russland nicht abreißen zu lassen“.

Die Bündnisgrünen sehen zudem den Handel, die Molkereien und die Schlachtbetriebe in der Pflicht, nicht weiter an der Preisschraube für Milch und Schweinefleisch zu drehen. Die Niedrigstpreise vertrügen sich nicht mit dem Anspruch der Verbraucher auf gute Haltungsbedingungen für Tiere, mahnte der agrarpolitische Sprecher Benjamin Raschke. Vielen regional verankerten bäuerlichen Familienbetrieben in Deutschland drohe das Aus, hier müsse dringend etwas passieren, so Raschke weiter.

„Die aktuelle Situation zeigt erneut, dass die Expansionspolitik von Agrarminister Vogelsänger in der Tierhaltung angesichts der massiven Überproduktion in Deutschland völlig fehl am Platz ist“, so Raschke. „Hiermit schadet er der Landwirtschaft.“ Erforderlich seien stattdessen mehr Unterstützung für Tierhalter, die auf besonders tiergerechte Haltung umstellen wollen und und eine bessere Information der Verbraucher.

Georg-Stefan Russew

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