Fahrtenbücher: Minister müssen Zehntausende Euro zurückzahlen
In Brandenburgs Fahrtenbuch-Affäre hat das Finanzministerium erstmals Zahlen zum Ausmaß vorgelegt. Demnach entstand für alle Regierungsmitglieder in den Jahren von 2007 bis 2011 insgesamt ein geldwerter Vorteil von mehr als einer Million Euro.
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Potsdam - Das geht aus einer Antwort des Ministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Landtagsfraktion hervor. Je Regierungsmitglied schwankt der geldwerte Vorteil, der beim Finanzamt versteuert werden muss, zwischen 900 und 26 600 Euro pro Jahr.
Für einzelne Minister, die etwa wie Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD), aber auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wegen zahlreicher Termine in den Weiten des Landes als Vielfahrer gelten, dürften also insgesamt Summen von mehreren Zehntausend Euro auflaufen, für die die Finanzämter Einkommenssteuer nachfordern. Ganz grob nach dem Spitzensteuersatz berechnet, der für die Regierungsmitglieder gilt, könnten das insgesamt 400 000 Euro sein. Ein früherer Staatssekretär hat bereits einen Steuerbescheid erhalten. Andere befinden sich noch im Anhörungsverfahren bei ihren Finanzämtern. Wenn sie wie angekündigt das Finanzministerium auf Schadenersatz verklagen und Erfolg haben, würde das Land gewissermaßen dafür nachträglich aufkommen – für eine Steuer, die nicht einmal komplett beim Land bleibt.
Aus dem Papier des von Helmuth Markov (Linke) geführten Finanzministeriums, der nach der Dienstwagen-Affäre um Ex-Bildungsminister Holger Rupprecht die Fahrtenbücher bis 2007 rückwirkend prüfen ließ, geht auch das Ausmaß des jahrelangen Umgangs hervor. Das Finanzressort stieß auf zahlreiche Lücken. Insgesamt 213 Fahrtenbücher aus den Jahren 2007 bis 2011 wurden nachträglich kontrolliert. 191 Fahrtenbücher, also 90 Prozent, wiesen Mängel auf und wurden verworfen. In diesen Fällen wird nun nachträgliche die sogenannte Ein-Prozent-Regelung angewandt. Damit hat der Nutzer eines Dienstwagens monatlich ein Prozent des Bruttolistenpreises inklusive Sonderausstattung zu entrichten. Dies ist bei den teuren Regierungsdienstwagen finanziell ungünstiger als die Abrechnung per Fahrtenbuch. Bei einigen Regierungsmitgliedern ist angeordnet worden, dass sie die Ein-Prozent-Regeln weiter anwenden müssen. Ob auch Ordnungsgelder wegen Verstößen gegen das Einkommenssteuerrecht verhängt oder disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet wurden, wollte die Staatskanzlei mit Hinweis auf den Datenschutz nicht sagen.
Generell ist den mehr als 20 Betroffenen aus der Zeit der rot-schwarzen Regierung bis 2009 und aus dem aktuellen rot-roten Nachfolgekabinett nicht vorzuwerfen, sie hätten dienstliche und private Fahrten vermischt. Vielmehr fehlen nach PNN-Informationen in den bemängelten Fahrtenbüchern einfach genaue Adressen und Angaben zu Behörden und Firmen. Das ging so weit, dass für einen Termin im Bundesrat einfach Berlin als Fahrtziel angegeben wurde. Oder die Fahrer schrieben pauschal für eine knappe Woche rund 500 gefahrene Kilometer und Ortsangaben wie „Brandenburg“ oder „Potsdam und Umgebung“ auf.
Allerdings ist diese Praxis über Jahre auch vom Brandenburgischen Landesbetrieb (BLB), der dem Finanzministerium untersteht, geduldet worden. Markov aber sieht sich zu dem harten Vorgehen wegen des Gleichheitsgrundsatzes verpflichtet, was bei den Linken das Echo auslöste, der Minister räume mit SPD-Schlamperei auf. Allerdings könnte das rigide Vorgehen, bei dem selbst Ministeriumsmitarbeiter unsicher waren und das auch ein Gutachten in Zweifel zog, Markov noch auf die Füße fallen.
Mehr als 20 frühere und amtierende Minister und Staatssekretäre wollen die Steuernachforderungen zwar zahlen, dann aber das Geld vom Land zurückfordern. Schadenersatzklagen gegen das Finanzministerium wollen sie im Herbst einreichen. Das bestätigte der frühere Staatskanzleichef Clemens Appel, der das Vorgehen der Gruppe koordiniert. Das Land hafte, wenn die Fahrer von Dienstwagen die Fahrtenbücher fehlerhaft geführt haben, und eine „Belehrung hat es nie gegeben“, sagte Appel.
Zu der Gruppe sollen Ex-Minister Rupprecht, der frühere Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD), Ex-Justizministerin Beate Blechinger (CDU), Ex-Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD), aber auch der frühere Umweltstaatssekretär und heutige Uckermark-Landrat Dietmar Schulze gehören. Ihr Ziel ist es, dass Markov noch vor der Landtagswahl 2014 vor Gericht unterliegt – und Verantwortung für die Mehrkosten übernehmen muss. Auch drei aktuelle Staatssekretäre sind dabei, einige Minister halten zumindest Kontakt zu der Gruppe, wollen aber noch abwarten, weil sie Klage gegen den eigenen Finanzminister noch scheuen. Allerdings komme der Zeitpunkt, an dem auch sie Farbe bekennen müssten, hieß es. „Bisher war das alles eine Trockenübung“, sagte Appel. „Jetzt geht es ans Portemonnaie“
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