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Brandenburg: Ministerin unter Druck

Bildungsministerin Münch legt das gemeinsame Lernen auf Eis – und beugte sich damit dem Druck des Linke-Koalitionspartners

Von Katharina Wiechers

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Potsdam - Es war Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) eine Herzensangelegenheit: Die Inklusion, also der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern. Als eines der ersten Bundesländer sollte diese in Brandenburg eingeführt und damit die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden. Doch nun sah sich die Ministerin gezwungen, das Projekt auf Eis legen. Die Novelle des Schulgesetzes soll erst in der kommenden Legislaturperiode angestoßen werden. Letztlich war wohl der Druck der Lehrer und Eltern, aber vor allem der Linken zu groß. Dem Koalitionspartner ging die Umstellung zu schnell.

Eigentlich sollten ab dem Schuljahr 2015/2016 an den Förderschulen keine neuen ersten Klassen mehr für Kinder mit Lernschwächen sowie emotionalen, sozialen und sprachlichen Defiziten eingerichtet werden. Schon dies war ein Kompromiss, den die Ministerin 2011 nach heftigen Protesten eingegangen war. Eigentlich wollte sie schon zwei Jahre zuvor mit dem Abbau der aus ihrer Sicht bald überflüssigen Förderschulen beginnen. Doch wenn die Gesetzesnovelle nun frühestens nach der Landtagswahl im Herbst 2014 angepackt werden soll, ist wohl auch dieses Ziel nicht mehr zu halten.

Münchs Engagement für die Inklusionsschulen war groß. Sie installierte Regionalkonferenzen mit den Beteiligten, einen runden Tisch sowie einen wissenschaftlichen Beirat, der die Landesregierung in Sachen Inklusion unterstützen soll. Zudem startete sie an über 80 Grundschulen Pilotprojekte, an denen der gemeinsame Unterricht derzeit erprobt wird.

Dennoch riss die Kritik nicht ab. Zum einen wurde angesichts des Sparkurses der Landesregierung die Finanzierbarkeit infrage gestellt. Allein für die zusätzlichen Lehrer müsste das Land um die 40 Millionen Euro einplanen, hinzu kämen nötige Umbauten an den Schulgebäuden. Zum anderen mangelt es aus Sicht vieler Zweifler noch an der gesellschaftlichen Akzeptanz. Zu groß seien die Ängste der Eltern und Lehrer, hieß es von Gewerkschaften und Linken. Immer lauter wurden die Vorwürfe, Münch würde mit ihrem Projekt vorpreschen. Nun zog sie schließlich die Reißleine.

Die Inklusion ist dabei nicht das einzige Projekt der Ministerin, das in letzter Zeit platzte. Erst im Januar musste sie das gemeinsame Zentralabitur mit Berlin aufkündigen, das erst 2010 eingeführt worden war. In Brandenburg hatte es Proteste gegeben, weil märkische Abiturienten neuerdings weniger Unterricht als Berliner haben, aber die gleichen Prüfungen ablegen sollten. Auch die Einschulung mit fünf Jahren wird wohl wieder rückgängig gemacht. Offenbar noch in dieser Legislaturperiode soll der Stichtag vom 30. September auf den 30. Juni verlegt werden. Zu Guter Letzt will Münch noch die von ihrem Vorgänger eingeführten Vergleichsarbeiten in der sechsten Klasse wieder abschaffen.

Obwohl sich Münch also in vielen Punkten ihren Kritikern beugt, erntet sie nun erneut fast ausschließlich Häme. Das Handeln der Ministerin zeige, dass sie ihre Projekte nicht gründlich genug durchdacht habe, sagte etwa der Landesleiter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs. So habe das gemeinsame Zentralabitur handwerkliche Fehler gehabt. Das Inklusionsprojekt sei vorschnell festgezurrt worden, noch bevor alle Beteiligten davon überzeugt waren. „Sie hat sich vergaloppiert“, sagt Fuchs. Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschef Andreas Büttner. Münch habe die Inklusion mit ihrem Alleingang gegen die Wand gefahren, sagte er jüngst. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg kritisiert, dass die Kommunen durch die Verschiebung der Inklusion verunsichert wurden. Vor allem aber macht den Kommunen das spätere Schuleintrittsalter zu schaffen. Wenn die Kinder wieder später in die Schule gehen, müssten rund 4 000 zusätzliche Kita-Plätze geschaffen werden, sagt Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher. Angesichts der Tatsache, dass die Kitas schon jetzt nicht ausfinanziert seien, sei dies kaum zu verkraften.

Lediglich die Linke ist mit Münchs Rolle rückwärts zufrieden, schließlich wurden in vielen Punkten ihre Forderungen erfüllt. Für das Inklusionsprojekt, das die Linke im Prinzip unterstütze, könne man sich nun Zeit nehmen, sagte Bildungsexpertin Gerrit Große.

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