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Von Thorsten Metzner: Missverständnis im Kabinett

Helmuth Markov, Linke-Finanzminister, galt als Gewinn – inzwischen ist er ein Problem für Rot-Rot

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Potsdam - Es war eine symptomatische Szene, vorn auf der Regierungsbank im Landtag. Fast zehn Minuten redete Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) auf seinen Nachbarn ein, verständnisvoll, aber eindringlich, wie ein Vater auf ein trotziges Kind: Der Mann neben ihm wirkte angespannt, widersprach mehrfach, gestikulierte wild. Unmittelbar danach ging Helmuth Markov, Jahrgang 1952, Linke-Finanzminister, in die wegen ihm einberufene Sondersitzung des Finanzausschusses im Landtag. Es war nicht die erste. Er versuchte dort zu erklären, warum er einen Auszahlungsstopp für EU-Fördermittel vier Monate lang dem Parlament verschwieg. Und siehe da, er rang sich, anders als bei ähnlichen Vorfällen früher diesmal zumindest ein paar selbstkritische Sätze ab. „Niemand ist perfekt. Ich bin doch nicht unbelehrbar“. Er schaute dabei ehrlich fassungslos in die Runde, dass man ihn dafür halten könnte. So kann nur einer sprechen, der sich völlig unverstanden fühlt.

Und so ist es ja auch, dieser Helmuth Markov und Brandenburgs Politik, das ist längst die Geschichte eines einzigen großen Missverständnisses. Denn der seit der rot-roten Regierungsbildung Platzecks bisher einzige Finanzminister mit Linke-Parteibuch in Deutschland hat in diesem Amt immer noch nicht Tritt gefasst, im Gegenteil. Anders als seine Linke-Kabinettskollegen ist es der Vize-Regierungschef, der immer wieder für Eklats sorgt, an denen, wenn man ihm zuhört, dann andere Schuld sind, Opposition, Medien, aus seiner Sicht illoyale Beamte seines Ministeriums. Bei keinem Vorgänger musste der Finanzausschuss im Landtag so viele Sondersitzungen einberufen wie bei ihm, der mit den harten Angriffen nicht umgehen kann, misstrauisch geworden ist, überall Feinde wittert, sich einigelt, und deshalb neue Fehler macht. 

Ausgerechnet Markov. Dabei galt gerade seine Nominierung für den Schlüsselposten anfangs als Coup. Als ihn die Linken zum Finanzminister machten, war er ein Gegenentwurf, gerade auch zu den blassen, märkisch-provinziellen SPD-Ministern Platzecks. Dieser Markov, den Parteistrategen schon als Spitzenkandidaten für 2014 sahen, war so ganz untypisch für einen Linken. Der Ingenieur hatte nach 1990 ein Unternehmen aufgebaut, war nach Strasbourg ins Europaparlament gegangen, wo er über Lager hinweg als kompetent anerkannt war. Ein unideologischer Typ, der mehrere Sprachen spricht, weltgewandt, offen, kommunikativ, mit Sinn für Kultur, der sich schon mal auf sein Motorrad setzt, um nach Paris zu einem Jazz-Festival zu düsen.

Eineinhalb Jahre danach ist vom Ruf, der ihm vorauseilte, von den Erwartungen, fast nichts geblieben. Selbst in den Reihen der Linken machen sich Enttäuschung und Ernüchterung breit. Er hat viele verschreckt, die ihm wohlgesonnenen waren. Selbst Parteifreunde, die ihn lange kennen, können sich nicht erklären, warum er „so schnell abgehoben“ ist, wie einer sagt. In der Fraktion, wo man sich an die cholerischen Ausbrüche gewöhnt hat, aber nicht an die fehlenden Informationen, ist resignierend von „Beratungsresistenz“ die Rede. Dabei wäre, schaut man allein auf die Finanzen des Landes, seine Bilanz gar nicht schlecht. In seiner Verantwortung wurden zwei Haushalte verabschiedet, fast turbulenzenfrei. Das Land nimmt, ungewöhnlich für eine rot-rote Koalition, immer weniger neue Kredite auf. Auch bei Außenauftritten als Vize-Regierungschef, etwa vor ausländischen Gästen, macht Markov, wie es in der Protokollabteilung der Staatskanzlei heißt, eine gute Figur.

Aber das war´s dann auch, da dies immer wieder durch von Markov verursachte Affronts überlagert wird, im Umgang mit Parlament, Kabinett, Medien, immer geht es um einsame Entscheidungen, um erschreckend wenig politischem Instinkt. Mal verkündete er im Landtag aus heiterem Himmel eine Haushaltssperre, deren Notwendigkeit er nicht plausibel erklären konnte. Mal ließ er es trotz vorheriger Warnungen zu, dass bei der Grundsteinlegung für den Stadtschloss-Landtag das Wahlvolk ausgesperrt wurde, was Platzeck deutlich missbilligte. Oder er droht schon mal dem Landtagspräsidium mit Strafanzeige, weil ein dorthin gesandter vertraulicher Bericht zu Millionen-Mehrkosten beim Landtagsneubau den Weg in die Medien fand ...

Im Krisenmanagement der Krampnitz-Affäre, die eigentlich auf seinen SPD-Vorgänger Rainer Speer zurückgeht, verschwieg er dem Finanzausschuss wichtige Fakten. Damit später konfrontiert, antwortete Markov, man habe ihn ja nicht danach gefragt. Und der Landesrechnungshof, der in einen Sonderbericht die Rückabwicklung der Krampnitz-Verträge anregte, wartet bis heute auf eine Reaktion. Nun gilt sein Ministerium als schwierig, die Rede ist von Sabotage aus dem Apparat, die für Liegenschaften zuständigen Skandalabteilung IV ist ein Pulverfass, Tücken lauern überall. Am Wochenende etwa wies Markov zwar Vorwürfe zu den jetzt bekannt gewordenen umstrittenen zwei Grundstückverkäufen in Potsdam zurück. Doch es war der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften (BLB), der vorher warnte, auch der untersteht Markov.

Und nun, wackelt auch sein Stuhl, nachdem Platzeck seit Ende 2009 bereits drei Minister verlor? Noch sieht es nicht so aus, noch schweißen die Attacken „die eigenen Reihen eher zusammen“, heißt es in der Fraktion. Für Platzeck, sagt einer, der es wissen muss, steht Markov „unter Beobachtung“. Und bleibt, bis zur nächsten Kapriole, für Platzeck, für Rot-Rot ein Risiko,

Mit eigener Autorität hat das nichts zu tun.

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