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Der Landtag Brandenburg.

© dpa

Rot-Rot im Landtag Brandenburg: Mit der Verfassung gegen die Verfassung

Brandenburgs SPD-Fraktion wollte ein Zeichen setzen gegen mögliche Antisemiten in der AfD-Fraktion. Doch nun wurde der Plenarantrag zurückgezogen. Ein Zeichen des Verschleißes.

Stand:

Gut Ding will Weile haben, sagte Björn Lüttmann am Dienstag vor der Presse im Landtag Brandenburg. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion stellte die Anträge für die Plenarsitzungen in der kommenden Woche vor. Lüttmann wollte ein Zeichen setzen, wie handlungsfähig und schlagkräftig die SPD-Fraktion ist. Der Grund: Zuvor hatten die PNN berichtet, dass in den anderen Fraktionen inzwischen geunkt wird, die Sozialdemokraten hätten ihren roten Faden verloren.

Erst stand in der Januar-Sitzung des Landtags kein Antrag von Rot-Rot auf der Tagesordnung, und für kommende Woche dominierte die Opposition, weil sich die rot-rote Koalition mit ihren Anträgen viel Zeit ließ. Lüttmann nannte Gründe dafür: Er sprach über den größeren Abstimmungsbedarf in der größten Fraktion. Und darüber, „dass wir die Dinge, die wir in Anträge schreiben hinterher – zumindest wird es so in der Öffentlichkeit erwartet – in Regierungshandeln umsetzen“.

Der Landtag sollte den Fraktionen Vorschriften machen

Der SPD ist aber beim Weilehaben, beim Anträgeschreiben ein Fehler unterlaufen – zumindest bei einem. Der lautet etwas irreführend: „Rassismus, Antisemitismus und die Verunglimpfung und Bedrohung von Bevölkerungsminderheiten haben keinen Platz in Brandenburg.“ Anlass ist der zu erwartende Wechsel in der AfD-Fraktion. Wenn deren Chef Alexander Gauland im September in den Bundestag geht, rückt der Uckermärker AfD- Kreischef Jan-Ulrich Weiß nach, der durch eine antisemitische Karikatur bekannt wurde. Rot-Rot wollte dagegen ein Zeichen setzen – und scheiterte damit.

Tatsächlich geht es im Antrag um den Landtag selbst – als Verhaltensnorm. Die Abgeordneten stünden für Demokratie und Menschenwürde, träten für die Gleichheit aller Menschen ein. Dann zitiert der Antrag die Landesverfassung, Artikel 12, ohne diesen zu nennen, wonach niemand wegen seiner Abstammung, Nationalität, Sprache, des Geschlechts, der sexuellen Identität, sozialen Herkunft oder Stellung, einer Behinderung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder aus rassistischen Gründen bevorzugt oder benachteiligt werden darf.

Weiter heißt es im Antrag, Rassismus, Antisemitismus und die Verunglimpfung und Bedrohung von Bevölkerungsminderheiten stünden im völligen Widerspruch zu diesen Werten des Landtages. Schließlich: Vor diesem Hintergrund „bekennen sich die Fraktionen“ dazu, „dass in ihren Reihen nur Abgeordnete Platz haben, die nicht gegen diese Grundsätze verstoßen – gleich ob deren Agieren strafrechtlich geahndet werden kann“. In der Begründung werden dann noch Artikel 2, die Grundsätze der Verfassung, und unter Nennung noch Artikel 7a der Landesverfassung, die Anti-Rassismusklausel, angeführt – wonach das Land der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegentritt. Und dann der Satz: „Abgeordnete, die durch ihr Handeln oder ihre Worte an diesem Anspruch zweifeln lassen, sollten kein Mitglied einer Fraktion oder Gruppe im Landtag Brandenburg sein.“

Die SPD scheiterte am einfachstes Staatsrecht

Spätestens an dieser Stelle hätten zumindest die Juristen in der SPD-Fraktion stutzig werden müssen, Staatsrecht, maximal drittes Semester. Da wird in den Beschlusstext aus der Verfassung hineinkopiert, dies dann mit anderen Teilen der Verfassung begründet – und am Ende die Verfassung wieder verletzt. Dort steht ein paar Seiten weiter nämlich alles zur Freiheit des Mandats (Artikel 56) und zur Unabhängigkeit der Fraktionen (Artikel 67). Der Landtag kann keiner Fraktion vorschreiben, wen sie auszuschließen hat. Das ist Sache der Fraktionen.

Die SPD-Fraktion hat es noch gemerkt und nahm am Freitag den Schnellschuss- Antrag von der Tagesordnung. Der werde geschoben. „Wir wollen ihn qualifizieren“, sagte Lüttmann. Und auch mit den anderen Fraktionen wolle man sprechen, ob man das Ganze lieber als Resolution oder Erklärung einbringt. Und das alles im Jahr 27 als Dauerregierungsfraktion.

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