Brandenburg: Mit etwas Handarbeit ein paar Euro extra Bärbel Gesell (69) lebt von 780 Euro im Monat
Strausberg – Für Bärbel Gesell besteht das Leben nur aus rechnen. Hier eine günstigere Versicherung, dort lieber verzichten, Hauptsache ein paar Euro sparen.
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Strausberg – Für Bärbel Gesell besteht das Leben nur aus rechnen. Hier eine günstigere Versicherung, dort lieber verzichten, Hauptsache ein paar Euro sparen. „20 Euro sind für mich schon viel Geld“, sagt die 69-jährige Rentnerin aus Strausberg (Märkisch-Oderland). Pro Monat hat Gesell 782 Euro zur Verfügung, davon 740 Euro Rente und 42 Euro Wohngeld. Damit liegt die Mutter und Großmutter laut des Sozialberichts des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg nur wenig oberhalb der landesspezifisches Armutsgrenze von 749 Euro.
Dabei geht es Gesell sogar noch vergleichsweise gut. Laut der Landesarmutskonferenz Brandenburg, einem Netzwerk der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen und mehrere Initiativen, lag die durchschnittliche Rente von Frauen im Osten 2009 bei 641 Euro. Angesichts des von Experten erwarteten Anstiegs der Altersarmut fordert die Landesarmutskonferenz Brandenburg vom Bund ein gerechteres Rentensystem sowie einen gesetzlichen Mindestlohn und von der Landesregierung, eine sozialer ausgestaltete Wohnungs- und Infrastrukturpolitik, die würdevolles Wohnen im Alter ermöglicht. Außerdem solle der Zugang zu gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung verbessert werden.
Das sie einmal so aufs Geld achten muss, hat Gesell nicht erwartet. Mehrere Ausbildungen hat sie in der DDR absolviert, bis zu ihrem 60. Geburtstag gearbeitet und 1984 sogar ein Ingenieursstudium abgeschlossen. Ihre Ausgaben trägt sie täglich gewissenhaft in ihr Haushaltsbuch ein. „Für die Einkäufe habe ich pro Tag etwa fünf Euro zur Verfügung“, berichtet sie. „Wir haben ja gelernt, aus Nüscht was zu machen.“
Halt gibt Gesell ihre Familie und das Treffen mit Freunden bei der Volkssolidarität. Mit kleinen Handarbeiten, die in der örtlichen Geschäftsstelle der Hilfsorganisation verkauft werden, versucht sie ein bisschen Extra-Geld zu verdienen. Ein willkommenes Zubrot, nicht zuletzt um das Geld für ihr altes Auto zusammenzubekommen. „Ich hoffe der kommt nochmal durch den TÜV“, sagt sie.
Verbittert wirkt Bärbel Gesell trotz ihres klammen Budgets. „Ansonsten bin ich wunschlos glücklich“, sagt die Strausbergerin. Wenn sie etwas bedrückt, dann die Tatsache, dass sie ihren Enkeln nicht einmal einen Euro für eine gute Schulnote zustecken kann – ganz zu schweigen von einer gemeinsamen Reise. „Vor 14 Tagen war die Jugendweihe meiner Enkeltochter. Dafür habe ich ein Jahr lang gespart.“ Matthias Matern
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