Tiemann will positive Strategie: „Mit Kälte gewinnt man keine Menschen“
Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) sieht Chancen, dass die Union nach dem Vorbild ihres eigenen Wahlsieges in der lange Jahre „roten Bastion“ Brandenburg an der Havel auch im Land aus dem Tal kommen kann. Nach der angekündigten Kandidatur für den Vize-Landesvorsitz wirbt Tiemann im PNN-Interview für Kurskorrekturen in der Landespartei, die unter Landeschefin Saskia Ludwig bisher auf einen polarisierenden Oppositionskurs setzt.
Stand:
Sie sind jüngst als Oberbürgermeisterin in der Stadt Brandenburg wiedergewählt worden, dem Wahlkreis von Frank-Walter Steinmeier. Frau Tiemann, warum kandidieren Sie jetzt für den Vize-Vorsitz der Landespartei, obwohl Landeschefin Saskia Ludwig das nicht will?
Mein Politikverständnis ist ein anderes. Ich will die Erfahrungen aus dem Wahlerfolg der Union jetzt in die Landespartei einbringen. Es ist ja keine Selbstverständlichkeit, dass die Bevölkerung in einer ähnlich wie das Land geprägten kreisfreien Stadt, die früher auch einmal als rote Bastion galt, mir als CDU-Oberbürgermeisterin solch umfangreiches Vertrauen geschenkt hat. Und das bei einer Direktwahl mit einer Zustimmung von über 56 Prozent im ersten Wahlgang. Ich will dazu beitragen, dass die CDU auch im Land erfolgreicher wird.
Im Land stagniert die Union im 20-Prozent-Bereich. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Ich denke, es ist meine Politik, die auf Gemeinsamkeit und auf das Fortkommen des Gemeinwesens ausgerichtet ist, insbesondere auch in den sozial schwachen Bereichen. Das zahlt sich aus, ich habe in allen Wahllokalen gewonnen, selbst in sozialen Brennpunkten. Ich bin immer mit dem Anspruch angetreten, Politik für alle zu machen, mit Herz und Verstand, mit Kälte gewinnt man keine Menschen. Das zahlt sich aus. Diese Stadt hat Führung bekommen.
Angela Merkel gratulierte umgehend per SMS, die Landeschefin geht eher auf Distanz. Erklären Sie den Widerspruch!
Ich hatte das große Glück, Frau Dr. Angela Merkel kennen zu lernen, als sie noch nicht Kanzlerin war. Wir hatten beide einen guten persönlichen Draht. Ich war damals als kleine Unternehmerin auch Vorsitzende des Wirtschaftsrates Berlin-Brandenburg. Auch diese Erfahrung bestärkt mich, Verantwortung zu übernehmen, die über die Stadt hinausgeht.
Was stört Sie am aktuellen Kurs der Landes-CDU?
Mein Ansatz ist: Das Land wird unter den Möglichkeiten regiert, aber auch die Union schöpft Ihre Möglichkeiten nicht aus. Das Land hat wesentlich größere Potenziale, wirtschaftlich, geschichtlich, aber vor allem aus Sicht der Menschen, die hier leben. Da ist viel mehr drin, wird aber nicht abgerufen. Das liegt nicht nur an der Regierung.
Wo sehen Sie das Grundmanko?
Es gibt keine klaren Zielsetzungen, wo dieses Land bis 2020 oder 2030 hin will. In der Stadt, in der ich Verantwortung trage, haben wir vor einigen Jahren einen Masterplan bis 2020 beschlossen. Das ist auch für das Land nötig. Deshalb sage ich: Eine CDU-Opposition im Land darf nicht nur sagen, was alles falsch läuft, nicht nur nach hinten schauen. Wir brauchen eine eigene positive Gesamtstrategie der Union für das Land Brandenburg, eine, die es in seiner Vielfalt betrachtet. Für mich gibt es zu viel Stückwerk, zu viele Nebenkriegsschauplätze. Wie in der Stadt kann die CDU auch im Land Erfolg haben, wenn die Überschrift „Gemeinsam. Gestalten.“ ist.
Das Tischtuch der Union zur SPD, zu Matthias Platzeck ist nach teilweise sehr persönlichen Angriffen zerschnitten, das Verhältnis zu FDP und Grünen belastet. Sie halten diesen Stil für falsch?
Man muss sich als Opposition in der Sache klar auseinandersetzen, sollte aber immer wissen, dass man ein gemeinsames Ziel hat, nämlich dieses Land voranzubringen. Für mich gilt: Der Umgang untereinander und mit dem Wettbewerber muss so fair sein, dass man sich danach immer noch in die Augen schauen kann. Ich hätte sonst nie meine Stadt mit wechselnden Mehrheiten regieren können, ohne eine Kooperation, ohne eine Koalition. Die CDU ist zwar stärkste Fraktion, hat aber keine eigene Mehrheit. Wir haben es gemeinsam es geschafft, Mehrheiten für die wesentlichen Projekte in unserem Gemeinwesen zu gewinnen. Die demokratisch gewählten Parteien haben die Aufgabe, für die Bürger da zu sein, sich nicht nur untereinander zu streiten. Das wollen die Bürger nicht. Sie wollen geführt werden, sie wollen wissen, wo es hingeht.
Mancher in der Union nimmt Anstoß, dass Sie sich im Stadtparlament Mehrheiten auch bei den Linken holen.
Es gehört sich, dass die großen demokratischen Parteien CDU, SPD und Linke in einer Kommune ein Miteinander pflegen. Wer mit klaren Positionen die Stadt nach vorne bringen will, ist ein Gesprächspartner. Ich sage aber auch, grundsätzlich bevorzuge ich den Weg in eine Große Koalition. Der war ja für das Land wie auch für die Bundesrepublik nicht verkehrt.
Kann man lokale Erfahrungen aus der Stadt Brandenburg wirklich auf das Land übertragen?
Ich finde, gerade die Stadt Brandenburg und das Land sind gut vergleichbar, nicht nur, weil Brandenburg an der Havel als Mutter der Mark gilt. Die Kommune war politisch sehr stark rot geprägt, SPD und Linke sind zusammen im Stadtparlament stärker als die Union. Aber man sieht, dass die CDU mit kompetenter, fundierter, bürgernaher Politik trotzdem Erfolg haben kann.
Die Landes-Union profiliert sich ob beim Flughafen Schönefeld, mit dem Nein zu weiteren Windkraftanlagen, in der Landwirtschaft neuerdings eher mit Minderheitenpositionen.
Wenn mich daran etwas stört, dann kommuniziere ich es erst einmal intern. Für mich ist entscheidend, dass die Menschen Führung wollen, ob in der Stadt oder eben im Land. Es gibt hervorragende Voraussetzungen, die Berlin-Nähe etwa ist nicht nur eine Last. Man muss klare Ziele formulieren, einen Masterplan entwerfen. Man darf nicht nur nach hinten schauen. Das ist weder für die Partei noch für das Land gut.
Sie spielen auf die Vergangenheitsdebatte an, die die Auseinandersetzung seit der rot-roten Regierungsbildung 2009 dominiert.
Ja, und dadurch ist der Raum gegeben, dass sich die rot-rote Regierung, die selbst auch keine klaren Ziele formuliert, dahinter verstecken kann. Man nimmt sich die Möglichkeit, die Regierung zu treiben, sich selbst einzubringen.
Als einen Grund für Ihre Nicht-Nominierung für die engere Parteispitze hat Ludwig vor Journalisten Ihre frühere SED-Mitgliedschaft genannt. Wie gehen Sie persönlich damit um, dass Ihnen ausgerechnet aus den eigenen Reihen solche Vorbehalte entgegenschlagen?
Ach, wissen Sie, die CDU ist sehr vielfältig in ihrer Struktur, Personen und Positionen. Ich bin Einiges gewohnt. Im Übrigen, als ich 2001 in die CDU eintrat, habe ich meine Biografie erklärt. Ich bin immer offen damit umgegangen. Und ich finde: Die CDU als Volkspartei sollte den Anspruch haben, alle mitzunehmen, wo es verantwortbar ist. Gerade eine christliche Volkspartei wie die CDU sollte den Anspruch haben zu verbinden und nicht zu trennen.
Der aktuelle Befund der CDU-Landesvorsitzenden Ludwig für das Land sieht so aus, dass hier „systematischer SPD-SED-Filz“, das „Stasi-System“ regieren, „Mächtige von einst immer noch an jeder beliebigen Stelle, wie in der Justiz, Macht ausüben oder ausüben lassen.“ Merken Sie davon etwas in Ihrer Stadt, der drittgrößten im Land?
Ich halte es für den richtigen Weg, was wir in der Stadt praktizieren: Wir treten für eine offene Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ein, aber ganz konkret, nämlich beispielsweise mit der Stasi-Überprüfung der Stadtverordneten. Entscheidend ist das Maß.
Nach außen fährt die Union eine zugespitzte Konfliktstrategie, nach innen gilt seit dem Trauma des Machtkampfes zwischen Sven Petke und Ulrich Junghanns eher der Brandenburger Weg der allgemeinen Harmonie. Haben Sie keine Sorge, mit Ihrer Kampfkandidatur als Ruhestörerin dazustehen?
Wer mich kennt, der weiß: Ich bin eine Partnerin, keine Gegnerin. Ich habe eine eigene Meinung, die sich aber immer auf Erfahrungen gründet. Ich bin bereit, das einzubringen, auch wenn es manchmal unbequem ist. Ich scheue Auseinandersetzungen nicht, sie müssen manchmal geführt werden, intern. Das war auch in meinem Kreisverband so. Das gehört zur Führung. Einige gingen, weil sie nicht mehr mitmachen wollten. Viele Neue kamen dazu.
Sie kandidieren für den Vize-Posten gegen den Ludwig-Favoriten, den jungen Kreischef von Ostprignitz-Ruppin, Jan Redmann. Die Stelle ist durch den Rückzug von Sven Petke als Vize-Parteichef vakant, der offenbar nicht in Mithaftung für den aktuellen Kurs genommen werden will. Als Vize wären auch Sie zur Loyalität verpflichtet. Warum kandidieren Sie eigentlich nicht gleich für den Parteivorsitz?
Noch einmal: Meine Kandidatur, gestützt durch ein einstimmiges Votum des Kreisvorstandes, hat einen völlig anderen Ansatz. Ich bin Oberbürgermeisterin von Brandenburg an der Havel. Das mit Leib und Seele und das mit Vorrang. Ich will diese Erfahrungen aus einer Stadt, in der die Union Erfolg hat, als stellvertretende Landesvorsitzende einbringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Könnten Sie sich vorstellen, für Brandenburgs CDU 2014 als Spitzenkandidatin anzutreten?
Ich übernehme immer Aufgaben, die mir nicht nur vertraut sind, sondern die auch eine Herausforderung darstellen. Aber diese Herausforderung ist meine zweite Amtszeit als Oberbürgermeisterin in Brandenburg an der Havel.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Thorsten Metzner
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: