NSU Untersuchungsausschuss: Mit Thor-Steinar-Shirt im Geheimschutzraum
Der NSU-Untersuchungsausschuss hat mit Pannen und Blockaden zu kämpfen. Probleme bereitet dem Gremium derzeit aber auch die Landesregierung.
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Potsdam - Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg wird ein Jahr nach dem Start und nach monatelangen Debatten mit Innen- und Justizminister über Verfahrensfragen und Geheimeinstufung von Akten erneut von Pannen und Blockaden der Landesregierung belastet. Ihre Sitzung verbrachten die Abgeordneten am Freitag im Geheimschutzraum des Landtags, der Tag verlief anders als geplant. Bei einer Pressekonferenz zog der Ausschussvorsitzende Holger Rupprecht (SPD) sogar in Zweifel, dass das Gremium seine Arbeit erfolgreich zum Abschluss bringen kann – wofür er heftigen Widerspruch anderer Mitglieder erntete.
Zunächst aber hat sich das von Rupprecht geführte Ausschussbüro selbst blamiert. Geplant waren eine geheime Vernehmung des früheren V-Manns Christian K. und seines V-Mann-Führers vom Verfassungsschutz sowie eine öffentliche Vernehmung des früheren Leiters und eines anderen leitenden Mitarbeiters der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium. Alle Zeugen sollten zur „Nationalen Bewegung“ befragt werden, deren Anschlagsserie im Brandanschlag auf die jüdische Trauerhalle in Potsdam im Januar 2001 gipfelte. Und es sollte um eine vom Verfassungsschutz über Christian K. an die Neonazi-Szene durchgestochen Razzia gegen die später nie gefundene Gruppierung gehen.
Zeuge erscheint in Thor-Steinar-Shirt
Der zweite Teil der Vernehmungen entfiel: aus zwei Gründen. Zunächst war bis Freitagmorgen gar nicht klar, ob Christian K. überhaupt erscheint. Am Donnerstagnachmittag war seine am 20. Juni per Einschreiben mit Rückschein verschickte Einladung wieder im Landtag gelandet. Obwohl die Adresse bei Meldeamt und Polizei überprüft wurde. Noch am Donnerstag war sich der Ausschuss einig, dass die Vernehmung auch der anderen Zeugen verschoben wird. K. meldete sich dann doch noch und kam laut Rupprecht einer Zwangsladung zuvor. K. erschien in einem Shirt der Marke Thor Steinar – eine in der rechten Szene beliebte Marke mit Signalwirkung. Auch sein damaliger V-Mann-Führer wurde befragt. Sein Deckname ist „Sandmann“, er erschien mit aufgeklebtem Bart.
Der zweite Grund dafür, dass Heiner Wegesin und der andere Mitarbeiter des Verfassungsschutzes auf Antrag von Linke-Obmann Volkmar Schöneburg (Linke) wohl erst nach der Sommerpause vernommen werden: Das ist der Umgang des Ministeriums mit Akten. Zur „Nationalen Bewegung“ konnten die Abgeordneten zwölf Aktenbände im Innenministerium einsehen, vergangene Wochen kamen laut der Grünen-Obfrau Ursula Nonnemacher nochmals 1000 Seiten Papier in den Geheimschutzraum, am Donnerstag dann noch einmal 2300 Seiten. So kurzfristig hätte sie sich aber nicht ausreichend auf die Befragung der Verfassungsschützer vorbereiten können. Zudem hätten das Innen- und das Justizministerium umfangreiche Schwärzungen vorgenommen, die nicht nachvollziehbar seien. Akten würden willkürlich als geheim eingestuft, wie etwa eine Presseerklärung des Generalstaatsanwalts aus dem Jahr 2002. Nonnemacher sieht deshalb „Optimierungsbedarf, um die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht zu behindern“.
Amtshilfe der Polizei bei der Ladung von Zeugen
Selbst Rupprecht räumte unterschiedliche Auffassungen zwischen Ministerium und Ausschuss zum Umgang mit den Akten ein. Dabei hatte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) bereits vor einigen Monaten den Forderungen des Ausschusses zugestimmt – geändert hat sich bislang wenig. Rupprecht will nun mit Schröter ein klärendes Gespräch führen. Jan Redmann (CDU) beklagte, das Minister sei wieder in frühere Muster zurückgefallen. Nonnemacher widersprach aber dem Eindruck, dass der Minister das Problem sei. Schröter sei bemüht, dem Ausschuss zu helfen. „Ich sehe Probleme bei der Umsetzung des Ministerwillens“ in der Verfassungsschutzabteilung, sagte sie. „Das ist ein Problem des Apparats. Da ist jetzt Führung angesagt.“ Schöneburg nannte es jedoch überzogen, dass der Ausschuss „durch Destruktion des Innenministeriums“ arbeitsunfähig geworden ist. Der Ausschuss beschloss aber, dass der Beauftragte des Innenministeriums für das Gremium, Bruno Küpper, bei allen Fragen zur „Nationalen Bewegung“ nicht erscheint, denn er könnte auch Zeuge sein zu damaligen Ermittlungen wegen Geheimnisverrats im Zusammenhang mit besagter Razzia.
Immerhin will Rupprecht nun bei der Ladung von Zeugen schärfer vorgehen. Künftig werde der Ausschuss bei bestimmten Personen die Amtshilfe der Polizei in Anspruch nehmen. Damit soll sichergestellt werden, dass den Zeugen die Ladung persönlich übergeben wird.
Parallelen zur Neonazi-Szene in Brandenburg und Potsdam
Rupprecht zog aus diesem Tag eine Erkenntnis: „Es ist durchaus möglich, dass wir uns überhoben haben. Uns wird allmählich bewusst, was wir uns da aufgeladen haben.“ Es sei schwierig, „das ganze Paket“ bis zur Landtagswahl 2019 zu bearbeiten. Möglicherweise sei ein weiterer Ausschuss danach nötig. SPD-Obmann Björn Lüttmann assistierte Rupprecht und mahnte, der Ausschuss müsse zum Kernthema NSU und V-Mann Carsten Sz. alias „Piatto“ zurückkehren.
Schöneburg und Redmann widersprachen. „Ich bin nicht so pessimistisch“, sagte Schöneburg. „Nationale Bewegung“ und NSU werde man abschließend behandeln können. Zwischen beidem, auch der Neonazi-Szene in Potsdam und Brandenburg, gebe es Parallelen und Verbindungen zu „Blood & Honour“, jenem Netzwerk, das dem NSU beim Untertauchen half. Es gehe auch um die Verantwortung von Bundesbehörden.
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