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Charité: Mühsame Spurensuche nach Missbrauchsvorwurf

Die Ermittlungen im möglichen Missbrauchsfall an der Charité gehen nur langsam voran. Bislang hat die Staatsanwaltschaft die 16-jährige Patientin und ihre Familie nicht erreicht. Im Krankenhaus selbst wird der Fall indes kontrovers diskutiert.

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Berlin - Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen einen Pfleger wächst der Druck auf die Berliner Charité – und die Aufklärung der Vorgänge im Krankenhaus beginnt. Bis Montag soll nicht nur der Chef der Universitätsklinik, Karl Max Einhäupl, der zuständigen Senatorin einen Bericht vorlegen. Auch das unabhängige Expertenteam mit Ex-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), das zur Untersuchung der Vorgänge einberufen wurde, wird am Montag die Arbeit aufnehmen. Nach Kritik aus nahezu allen Parteien sagte die Charité außerdem ein neues Schutzkonzept in Kooperation mit der Beratungsstelle „Kind im Zentrum“ zu.

Weiter geht auch die Suche nach Eltern von möglicherweise betroffenen Patientinnen. Die von der Klinikleitung eingerichtete Hotline für Patienten und Mitarbeiter ist bis in der Nacht zu Freitag zehnmal angerufen worden. Darunter war nach Charité-Angaben ein Hinweis, der „weiterer Nachforschung bedarf“. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.

Ein Krankenpfleger soll sich in der vergangenen Woche an einer 16-Jährigen auf dem Charité-Campus in Wedding vergangen haben. Der Verdächtige soll schon ab 2005 auffällig gewesen sein – ohne dass sich Kollegen an die Charité-Leitung gewandt hätten. Die Grünen im Abgeordnetenhaus fordern, die Klinikstrukturen zu überprüfen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sprach sich für ein erweitertes Führungszeugnis als Einstellungsvoraussetzung aus. Bislang reicht die weniger umfassende Version des Zeugnisses.

Der verdächtige Pfleger wurde vergangene Woche vom Dienst suspendiert. Er war 2011 schon einmal wegen Zudringlichkeit angezeigt worden, das Verfahren wurde aber wegen nicht ausreichender Anhaltspunkte eingestellt. Aus Justizkreisen hieß es, dass der Mann damals eine Frau – keine Jugendliche – kurz mit der Hand geschoben habe. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich am Freitag nicht dazu. „Zum aktuellen Fall können wir aber sagen, dass wir noch nicht mit dem Mädchen sprechen konnten“, sagte ein Justizsprecher. „Die Vorwürfe müssen aber sorgfältig geklärt werden, und das geht nur, wenn wir mit ihr reden.“ Nicht nur für die Behörden, auch für Klinikchef Einhäupl war die Familie der 16-Jährigen bis Freitag nicht erreichbar.

Die meisten Patienten in der betroffenen Rettungsstelle in Wedding kannten den Vorwurf gegen den Pfleger am Freitag. Verängstigt waren dennoch die wenigsten: Sorglos spielt der 13 Monate alte Semih in der Spielecke der Notaufnahme. Seine Mutter Nesrin sitzt daneben und wartet, bis Semih wegen seines Fiebers behandelt wird. „Wäre das Virchow nicht so nah, wäre ich woanders hingefahren“, sagt Nesrin, 21 Jahre alt. Der Klinik vertraue sie nicht. Eine Mutter, deren dreijährige Tochter Lea am Darm behandelt werden muss, wusste zunächst nichts von dem Vorfall – erst das Wachpersonal, das durch die Gänge lief, machte sie stutzig. Die Schwestern hätten ihr aber keine Fragen dazu beantwortet. „Sie erklären einem nichts“, erzählt sie besorgt. Lieber würde sie bei ihrer Tochter übernachten, nur das gehe nicht, weil sie ihre ältere Tochter in die Schule bringen müsse. Auch Stefanie, 27, Mutter von zwei Kindern, hat Zuversicht. „Man muss Vertrauen haben“, sagt sie. Die vierjährige Ryanne schläft auf ihrem Schoß. Verrückte gebe es schließlich überall. Sie wird mit ihren Kindern weiter in die Charité gehen. Allerdings lasse man seine Kinder ohnehin nie gern aus den Augen. Das gelte nicht nur für Krankenhäuser.

Hannes Heine und Ronja Spiesser

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