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Brandenburg: Müllpreise: Staatsanwalt ermittelt Neuruppiner Entsorger unter Betrugsverdacht

Neuruppin - Diesmal ist es kein illegaler Müll, der die Brandenburger Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Korruption in Neuruppin beschäftigt – es sind die Müllpreise im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Der Geschäftsführer der Abfallwirtschafts-Union (Awu), Jürgen Naujok, steht unter Betrugsverdacht.

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Neuruppin - Diesmal ist es kein illegaler Müll, der die Brandenburger Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Korruption in Neuruppin beschäftigt – es sind die Müllpreise im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Der Geschäftsführer der Abfallwirtschafts-Union (Awu), Jürgen Naujok, steht unter Betrugsverdacht. Von 2005 bis 2008 soll der Entsorger mit falschen Preiskalkulationen 1,3 Millionen Euro zu viel vom Kreis für die Abfuhr von Papier sowie von Haus- und Sperrmüll kassiert haben. „Die Summe steht im Raum“, sagte Landrat Christian Gilde (SPD) gestern, dessen Verwaltung sich die Kosten zum Teil über Gebühren bei den Bürgern zurückholt. Der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher wollte sich nicht zur Schadenshöhe äußern, bestätigte aber die Ermittlungen. Die laufen, nachdem zum Jahreswechsel der Behörde anonym ein vom Kreis in Auftrag gegebenes Gutachten zugespielt worden war, wonach die Abfallpreise viel zu hoch seien. Mitte Februar durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Geschäftsräume der Awu, in beschlagnahmten Kalkulations-Unterlagen fand sie „gravierende Auffälligkeiten“. Näheres wollte der für Wirtschaftskriminalität zuständige Oberstaatsanwalt Frank Winter nicht sagen.

Awu-Chef Naujoks war gestern nicht erreichbar. In einem Schreiben hatte er tags zuvor mitgeteilt, dass die Vorwürfe „im Ansatz jeglicher Grundlage entbehren“. Auch Landrat Gilde glaubt nicht an Betrug. „Ich kann das schwer nachvollziehen, wir haben hier mit die günstigsten Müllgebühren im Land“. Die Aufsichtsgremien hätten dem Geschäftsführer das Vertrauen ausgesprochen. Gilde zieht nun das von ihm bestellte Gutachten in Zweifel: „Wir haben das immer genau geprüft und knochenhart verhandelt, meist ging es nach unten“. Damit meint der Landrat die von einer Dresdner Beratungsfirma in einer Expertise errechneten Müllpreise. Bezahlt wurde die Kalkulation laut Staatsanwaltschaft aber von der Awu als Auftraggeber. Genau dieses Vorgehen macht die Ermittler stutzig. Es geht um eine LSP-Kalkulation, das steht für „Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten“, eine Verordnung aus den 1950er Jahren für öffentliche Aufträge, wenn keine Marktpreise vorliegen, also kein Wettbewerb besteht. Denn die Awu gehört zu 51 Prozent der Berliner Alba, den Rest der Anteile hält der Kreis.

Die Staatsanwaltschaft bezweifelt, ob die vorgeschlagenen Preise überhaupt verhandelt wurden. „Was ist passiert, als die Kalkulation vorgelegt wurde? Das muss jetzt geklärt werden“, so Oberstaatsanwalt Winter. Ebenso die Rolle der Mitarbeiter des Landrats. Einer, der damals am Verhandlungstisch saß, steht zumindest im Zwielicht. Der frühere Rechtsdezernent Jörg Tritscher (57) war für Abfallwirtschaft zuständig und vertrat den Landkreis als Gesellschafter bei der Awu. Dem einstigen Anti-Korruptionsbeauftragten steht ein Prozess wegen Vorteilsannahme bevor, weil er von 2003 bis 2006 auf Awu-Kosten von 22000 Euro siebzehn Mal privat in die Ukraine gereist sein soll. Eingeräumt hatte er Beziehungen zu zwei Ukrainerinnen, „die auf Gegenleistungen beruht haben“. Noch fanden die Ermittler „keine unmittelbare Verbindung“ zum neuen Awu-Verfahren. „Aber wir haben den Fall Tritscher dabei im Auge“, so der Leitende Oberstaatsanwalt Schnittcher. Landrat Gilde will selbst auch aufklären: Die Industrie- und Handelskammer hat einen Experten vermittelt, der soll sich die Zahlen des Abfallunternehmens nun ansehen. Alexander Fröhlich

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