Brandenburg: Muscheltod im Reservat
Auf einer Baustelle des Landesumweltamtes verendeten geschützte Tiere / Staatsanwaltschaft ermittelt
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Cottbus/Burg - Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt in einem ungewöhnlichen Fall von möglicher Umweltkriminalität im Biosphären-Reservat Spreewald. Er dürfte landesweit bislang einmalig sein. Nach PNN-Recherchen sind ausgerechnet bei einem Gewässerausbau-Projekt des Landesumweltamtes Brandenburg in der Spreewald-Stadt Burg besonders geschützte, europaweit vom Aussterben bedrohte Bachmuscheln getötet worden. Die Cottbuser Anklagebehörde bestätigte gestern, dass aufgrund der toten Muscheln „wegen Verdachts auf Verstoß gegen § 66 des Bundesnaturschutzgesetzes ermittelt wird“, dem Straftatbestand für die Tötung von Arten, die auf der „Roten Liste“ besonders bedrohter Arten stehen. Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen gegen eine Fremdfirma will das Landesumweltamt Konsequenzen aus dem Fall ziehen. „Wir müssen daraus lernen“, sagte Matthias Freude, der Präsident des Landesumweltamtes den PNN: „Das darf nicht wieder passieren.“
Die Ermittlungen (Aktenzeichen 1930 UJs 12086/07) richten sich nach Angaben eines Sprechers der Cottbuser Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiter eines Unternehmens, das die Ausbaggerungsarbeiten im Greifenheiner Fließ, einem der idyllischen Spreewald-Kanäle in der Gemeinde Burg, im Auftrag des Landesumweltamtes durchgeführt hat. Solche Arbeiten müssen regelmäßig erfolgen, damit das „Staugürtelsystem“ im Spreewald – ein ausgeklügeltes System von Wehren, das den Wasserhaushalt in den vielen Kanälen reguliert – auch künftig funktioniert. Den Fall ins Rollen brachte eine Strafanzeige des Naturschützers Rüdiger Herzog, Vize-Landeschef der Naturfreunde Brandenburg und früher Geschäftsführer des Landesbüros anerkannter Naturschutzverbände. Er hatte Anfang April fotografisch dokumentiert, dass am Greifenhainer Fließ in der Stadt Burg an der Baustelle des Landesumweltamtes der ausgebaggerte Schlamm samt Muscheln auf eine Wiese abgekippt worden war und „einhundert bis eintausend Tiere“ verendeten. Wie es dazu kommen konnte, ist bislang unklar. Vorgeschrieben ist, dass die geschützten Muscheln vor dem Ausbaggern aus dem Wasser geholt beziehungsweise danach aus dem Schlamm abgesammelt – auf jeden Fall aber wieder ins Wasser gesetzt werden müssen. Die Firma will dies getan haben, die Fotos mit den toten Muscheln stehen im Widerspruch dazu. Was für den Laien harmlos aussehen mag, sei keine Bagatelle, erläutert Herzog: „Die Natur lebt von Artenvielfalt. Und diese bedrohten Muscheln stehen europaweit unter besonderem Schutz. Deutschland hat die Verpflichtung, das zu sichern.“
Zum Hintergrund: Vor wenigen Jahrzehnten war die fünf bis sieben Zentimeter große Gemeine Fluss- oder Bachmuschel, die über 30 Jahre alt werden kann, in Flüssen Europas weit verbreitet. Das hat sich mittlerweile dramatisch geändert. In ganz Mitteleuropa sind die Bestände aufgrund der Verschmutzung der Flüsse auf kaum mehr ein Zehntel früherer Zeiten geschrumpft. In vielen Regionen ist die Flussmuschel, die besonders empfindlich auf Umweltveränderungen reagiert, bereits ausgestorben. Deshalb steht sie in Deutschland auf der Roten Liste. Und die Europäische Union hat Unio crassus, so der wissenschaftliche Name, als besonders geschützte Art in die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) aufgenommen. Vor diesem Hintergrund war die Fluss- und Bachmuschel sogar „Weichtier des Jahres 2006“, ein Titel, mit dem Naturschützer auf besonders bedrohte Arten aufmerksam machen.
Dem Landesumweltamt ist der Umweltfrevel bei eigenen Arbeiten im Spreewald deshalb besonders unangenehm, zumal die Behörde selbst in keinem guten Licht da steht. Präsident Freude hatte bei einem ähnlich gelagerten Fall vor einem Jahr – auch damals ging es um getötete Muscheln im Spreewald – den Naturschutzverbänden eine bessere Kontrolle und Aufsicht bei solchen Projekten versprochen.
Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat sich das Landesumweltamt deshalb nun bereits bei Herzog in einem Brief offiziell entschuldigt; was für märkische Behörden durchaus ungewöhnlich ist. Man habe den „Vorgang zum Anlass genommen, den Sachverhalt hausintern kritisch auszuwerten“, heißt es in dem Brief. „Auch wir bedauern, dass es bei den () Bauarbeiten offenbar zu einer Tötung von geschützten Tieren gekommen ist.“ Die Behörde verspricht in dem Brief, „auf die ökologische Baubegleitung“ bei künftigen Baumaßnahmen im Spreewald „einen noch größeren Wert zu legen“. Man sei an einer „umweltschonenden Vorgehensweise interessiert“, was nicht nur eine „leere Worthülse“ sei. Konkret soll, so erklärt Präsident Freude den PNN, das Landesbüro der Naturschutzverbände künftig die Listen aller geplanten Wasserbaumaßnahmen im Land Brandenburg und der Unterhaltungsarbeiten im Spreewald erhalten, um sich vor Ort überzeugen zu können, dass der Schutz bedrohter Arten gewährleistet wird.
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