Brandenburg: Mut gemacht, die Welt erklärt
Joschka Fischer bei Brandenburgs Grünen / Cornelia Behm Spitzenkandidatin für Bundestagswahl
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Joschka Fischer bei Brandenburgs Grünen / Cornelia Behm Spitzenkandidatin für Bundestagswahl Potsdam - Die Glocken der Inselkirche hatten gerade elfmal und zum Gottesdienst geschlagen, da kam er, Joschka Fischer, auf die Insel Hermannswerder in Potsdam. Er war ins Tagungszentrum BlauArt gekommen, die Seelen der gebeutelten, einsamen und verunsicherten Brandenburger Grünen zu massieren. Und, um sie sogleich wachzurütteln und in Aufbruchstimmung zu versetzen für die Bundestagswahl. Die 71 märkischen Delegierten des außerordentlichen Parteitages hatten es am Sonntag auch bitter nötig. Seit Jahren schaffen sie es nicht in den Landtag, aus dem sie 1994 gewählt worden sind, bei den Bundestagswahlen sind – wie überall im Osten – die Ergebnisse auch nicht berauschend. Und nur 630 Mitglieder hat der Landesverband – viele davon Ex-Berliner, die in den Speckgürtel gezogen sind, und mit denen die alten Bündnis90-Mitglieder aus dem Osten meist herzlich wenig anfangen können. Und bis am vergangenen Donnerstag bekannt wurde, dass Fischer in Potsdam „eine politische Rede“ halten wird, galt als Höhepunkt des Parteitages die Kampfkandidatur zweier grüner Frauen um den ersten Listenplatz für die Landesliste zur Bundestagswahl. Am Ende setzte sich Cornelia Behm gegen Katrin Schröder durch. Warum die Landesvorsitzende Katrin Schröder, die als Angestellte der Bundestagsfraktion arbeitet, gegen die Bundestagsabgeordnete Behm aus Kleinmachnow angetreten war, war selbst der restlichen Landesparteispitze unklar. Doch mit Fischer waren für eine dreiviertel Stunde die großen Fragen dieser Welt gekommen. „Denn ich als Außenminister bekomme mit, wie sich die Welt verändert.“ Fischer, zur Freude der Delegierten um einige Kilogramm leichter, ist kämpferisch. Er stellt klar: Die einst alternativen Grünen sind nun eine „Machtalternative“ zu Schwarz-Gelb und zu einer großen Koalition. Seine Botschaft: Die Grünen sollten sich auf sich selbst besinnen, sich nicht schon gedanklich in die Opposition verabschieden, sich nicht um die SPD kümmern und lernen, neue Themen zu besetzen und mit den alten Öko-Themen zu verbinden. Irgendwie, so seine Botschaft, hat alles eine grüne Seite. Er schlägt den Bogen von China, Entwicklungsländern und Massenarbeitslosigkeit in Deutschland (Globalisierung/Wirtschaftspolitik) über die Schweiz (Gesundheitspolitik), Finnland (Bildung), Frankreich (Kinderbetreuung) und den Irak („mit Merkel und Stoiber wären wir in den Krieg gezogen“). Er fordert den gesetzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr, die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung und mehr Zuverdienstmöglichkeiten für ältere Arbeitslose. Und über alles stellt er zwei Begriffe: Solidarität und Gerechtigkeit. Beides, so Fischer, seien urgrüne Themen. Und urgrün sei auch links. Gysi und Lafontaine, denen er vorhält, nur „eine dicke Lippe zu riskieren“ aber Angst vor Verantwortung zu haben, haben gewirkt. Am Ende auch Fischer. Die brandenburgischen Grünen sind sichtlich erleichtert, einen wieder erstarkten Parteichef gesehen zu haben, und darüber, dass mit ihm auch ein wenig Glanz auf sie gefallen ist. Der Parteichef ist da schon wieder Außenminister, steht über dem Templiner See und beantwortet auf einem Steg Fragen zur großen, weiten Welt. Zu Prognosen zum Wahlausgang und zu den Chancen der Brandenburger Grünen sagt er: „Ich hoffe auf ein gutes Ergebnis.“ Was ist ein gutes Ergebnis – wie viel Prozent sollten die Märker holen? „Ich bin kein Prophet.“
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