Von Alexander Fröhlich: Mut zur Lücke
Brandenburg hat ein unerklärtes Haushaltsloch. Die CDU will wissen, woher das kommt. Ministerien beraten Investitionsstopps
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Potsdam – Zumindest für Rainer Speer (SPD) ist die Sache klar. Weil das Geld knapp wird, ist es für den brandenburgischen Innenminister, unter Schwarz-Rot noch für das Finanzressort zuständig, ganz und gar unsinnig, allerorts – so schön und sicher sie auch sind – Radwege zu bauen. In der SPD-Landtagsfraktion sagte er nach Teilnehmerangaben kürzlich, den Kommunen würden irgendwann die Folgekosten für Reparaturen auf die Füße fallen. Das Signal, das Speer im Vorfeld der im Sommer beginnenden Haushaltsgespräche zwischen den Ressorts gibt, lautet aber: Es geht ans Eingemachte – das wird schon jetzt angesichts der Anfang Juni von Finanzminister Helmuth Markov (Linke) verhängten Haushaltssperre immer deutlicher. Dabei ist noch immer unklar, aus welchen Fehlbeträgen in welchen Etatposten sich die von Markov auf 460 Millionen Euro bezifferte Haushaltslücke zusammensetzt. „Wir warten den Halbjahresabschluss ab. Alle Häuser sind aufgefordert, ihre einzelnen Positionen zu prüfen und mit der Haushaltssperre abzugleichen“, sagte Markovs Sprecherin Ingrid Mattern auf Anfrage.
Auch wenn Markov also nicht sagen kann, wo ihm das Geld fehlt: Die ersten Investitionen sind schon gestoppt. Bauvorhaben, für die noch keine Verträge unterzeichnet wurde, also auch noch keine Zahlungspflicht besteht, wurden zurückgestellt. Der Landesbetrieb für Straßenwesen hat für Montag ein Krisentreffen in Potsdam anberaumt, um zu klären, welche Projekte vorerst auf Eis gelegt werden können. Das Infrastrukturministerium ließ lediglich erklären: Durch die Haushaltssperre sei „alles im Schwange“, „wir prüfen alles und sind in Gesprächen“.
Aus dem Kulturministerium hieß es, „wir wissen, dass Einrichtungen und Kulturträger vorläufig und zunächst mit der Haushaltssperre leben müssen“. Ausgenommen seien Zahlungen, die zur „Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend notwendig sind“, etwa bei Verpflichtungen aus dem Staatskirchenverträgen.
Der Städte- und Gemeindebund warnt, die Investitionen aus dem Konjunkturpaket II könnten verpuffen, der Aufschwung könnte abgewürgt werden. Alle vom Land mitfinanzieren Fördermaßnahmen seien bereits durch den späten Etatbeschluss Anfang Mai monatelang verzögert worden, sagte Verbandsgeschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher den PNN. „Diesen Stau wieder aufzulösen wird schwierig, wir kommen bald in die Sommerpause.“ Durch die Haushaltssperre seien weitere Auswirkungen zu erwarten. Böttcher beklagte daher fehlende Informationen aus den Ministerien: „Die Lage ist unbefriedigend, wir wissen nicht woran wir sind. Das wirkt sich auf die Investitionstätigkeit der Städte und Gemeinden aus.“
Angesicht der herrschenden Ungewissheit für Fördergeldempfänger fordert CDU-Finanzexperte Ludwig Burkardt nun rasch Aufklärung von Markov. „Der Zauberlehrling bekommt den Geist nicht mehr in die Flasche“, sagte Burkardt. Die rot-rote Landesregierung erwecke mit ihrer „unerklärlichen, panikartigen Reaktion“ den Eindruck, als habe sie den Haushalt nicht mehr im Griff, zumal bereits vor dem Haushaltsbeschluss des Landtags ein Minus von mehr als 300 Millionen aufgelaufen war. „Wir vermuten, dass das Lasa–Loch viel größer ist“, sagte Burkardt unter Bezug auf die über Jahre hinweg von der Landesagentur für Struktur und Arbeit (Lasa) falsch bei der EU beantragten Fördergelder. Durch den Abrechnungsskandal sind aktuell Mittel aus dem EU-Sozialfonds (ESF) von 50 Millionen Euro blockiert. Im Landesetat sind für 2010 insgesamt 140 Millionen Euro an eingeplant.
Damit Markov konkrete Zahlen zumindest zur Lasa und zum konkreten „Rückzahlungsrisiko“ vorlegt, reichte Burkardt am Freitag eine eilige Anfrage bei der Landesregierung ein. Tatsächlich sitzt ein ganzen Team des Sozialministerium seit Wochen über den Lasa-Akten der Jahre 2007 bis 2009 und prüft Bescheide und Verwendungsnachweise. Sind die nicht zu erbringen, müssten EU-Gelder zurückgezahlt werden. Burkardt sagte, Markov sei daher gut beraten, „schnell zu antworten“. Dessen Informationspolitik gebe „Anlass zu Gerüchten und Vermutungen, daran kann der Landesregierung nicht gelegen sein“.
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