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POSITION: Nach den Schicksalen fragen

Warum die Aufarbeitung der SED-Diktatur für Brandenburg so wichtig ist Von Dietmar Woidke

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Es gibt Termine, die stehen unverrückbar in unserem Kalender – der Geburtstag der Mutter, die lange geplante Familienfeier, das Firmenjubiläum. In meinem Kalender für den heutigen Montag steht auch so ein Termin, an dem nicht gerüttelt wird.

Ich werde mich heute Nachmittag mit Menschen treffen, die sich besonders für die Aufarbeitung unserer jüngsten Geschichte einsetzen. Sie arbeiten in den SED-Opferverbänden, in Häftlingsgemeinschaften, in Gedenkstätten- und Geschichtsvereinen in Brandenburg. Als Ministerpräsident will ich mit diesem Treffen zeigen: Aufarbeitung von DDR-Geschichte und Wiedergutmachung für erfahrenes Unrecht sind und bleiben wichtige Aufgaben. Ich bin daher sehr froh, die Vertreterinnen und Vertreter der Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen willkommen zu heißen. Unter ihnen sind viele Zeitzeugen und persönlich vom Unrecht der SBZ- und DDR-Zeit Betroffene. Zeitzeugenberichte sind wichtiger und beeindruckender als Geschichtsbücher. Deshalb müssen wir sie zu Wort kommen lassen, müssen sie nach ihrem Schicksal fragen.

Bei der kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit und besonders der jüngsten deutschen Geschichte kann es keinen Schlussstrich geben. Dazu bekennt sich unser Land. Deshalb werde ich mich heute ausdrücklich auch bei unserer Landesbeauftragten Ulrike Poppe und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre wichtige Tätigkeit bedanken.

Auch der Landtag Brandenburg hat sich in dieser Legislaturperiode der kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit mit einer eigenen Enquetekommission gestellt. Mehr als zwei Jahrzehnte nach Mauerfall, Überwindung der SED-Diktatur und Neugründung Brandenburgs prüft sie, ob der Prozess der demokratischen Umgestaltung in Brandenburg erfolgreich war, ob Versäumnisse und Fehlentwicklungen korrigiert werden müssen.

Die „Wiedergutmachung und nachhaltige Würdigung der Opfer des SED-Regimes“ hatte in der Kommission sehr zu Recht von Anfang an einen besonderen Stellenwert. Gerade im Hinblick auf Rehabilitierung und Erinnerungsarbeit muss gehandelt werden, denn hier läuft uns sonst die Zeit davon. Erlittenes Leid kann nicht ungeschehen oder in Gänze wieder gutgemacht werden. Das ist bitter und tragisch. Umso wichtiger ist es deshalb, wie wir mit den betroffenen Menschen umgehen. Wir alle können etwas tun, indem wir ihnen Gehör schenken.

Die Erinnerungsarbeit zur Zeitgeschichte steht in Brandenburg auf vielen Säulen. Eine davon ist die überwiegend ehrenamtliche Arbeit der Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen. Sie wird in diesem Jahr mit 60 000 Euro von der Landesregierung unterstützt. Zehn Projekte können damit gefördert werden, und jedes der Vorhaben hat seinen Wert: Mehrere Projekte werden die Verbandsarbeit und die Kommunikation in den Vereinen verbessern. Der Verein „Geschichte des 20. Jahrhunderts in der Prignitz e. V.“ wird einen Audioguide für das DDR-Geschichtsmuseum in Perleberg erstellen. Die Initiativgruppe Internierungslager Jamlitz e. V. wird mit dem Fördergeld Recherchen zu Nachkriegsverhaftungen, Internierungen und Tribunalverurteilungen in und um Bad Freienwalde betreiben.

Das führt mich zur Gedenkstättenarbeit, bei der wir sehr gut vorangekommen sind. In Cottbus, um nur ein Beispiel zu nennen, haben der Bund und das Land Brandenburg zusammen mit der Stadt und dem Verein „Menschenrechtszentrum Cottbus“ gemeinsam die Geschichte des „Zuchthauses Cottbus“ aufgearbeitet und öffentlich gemacht. Die neue ständige Ausstellung „Karierte Wolken – politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933 - 1989“, die am 10. Dezember 2013 eröffnet wird, möchte ich allen Brandenburgerinnen und Brandenburgern schon heute ans Herz legen. Es wird mir eine Ehre sein, an der Ausstellungseröffnung teilzunehmen. Der Termin ist in meinem Kalender dick unterstrichen.

Der Autor ist Ministerpräsident des Landes Brandenburg und Vorsitzender der SPD Brandenburg

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