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Sicherheitsverwahrte müssen unübersichtliche Lebenssituationen trainieren.

© dpa

Nach Flucht eines Sexualmörders: Gefangene sollen nicht mehr in Berlin ausgeführt werden

Der „Sadist von Nauen“ war bei einem Toilettengang im Europa-Center in Berlin entwischt. Jetzt will Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) die Regeln überprüfen.

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Nach der Flucht des „Sadisten von Nauen“ will das Land Brandenburg überprüfen, ob Sicherheitsverwahrte auch künftig noch nach Berlin ausgeführt werden. Das sagte Jusitzministerin Susanne Hoffmann (CDU) jüngst im Rechtsausschuss des Brandenburger Landtags. Die Ausführung des Sexualmörders nach Berlin sei erfolgt, um unübersichtliche Lebenssituationen zu trainieren.

„Berlin war die Großstadt, die in der Nähe lag, um den Umgang mit Verkehrsmitteln und größerer Zahl von Menschen zu trainieren“, sagte Hoffmann. Die Sicherheitsverwahrten säßen seit vielen Jahren in einer geschlossenen Einrichtung. An dem entflohenen Täter seien 15 Jahre Freiheitsstrafe vollstreckt worden, bevor er seit 2017 in der Sicherheitsverwahrung untergebracht war.

„Für uns normale Fähigkeiten, etwa wie man mit unübersichtlichen Situationen umgeht, gehen in dem strukturierten Tagesabauf unserer Anstalten verloren“, sagte Hoffmann. Das solle durch Ausführungen trainiert werden. „Es zwingt uns aber niemand, dazu in andere Länder zu fahren“, sagte die Ministerin. „Die Lebenstüchtigkeit können wir auch auf andere Weise trainieren: Wir werden die Ausführungspraxis deswegen noch mal überprüfen.“ Der Ressourcenaufwand, der durch die Flucht verursacht sei, sei nicht zu entschuldigen, so Hoffmann. „Das ist ein Fehlverhalten der Justiz gewesen.“

Nur von zwei Personen begleitet

Der Abgeordnete von BVB/Freie Wähler, Peter Vida, verwies darauf, dass von Brandenburg/Havel aus gesehen, Potsdam die nächstgelegene Großstadt sei: „Muss es das Europa-Center sein - kann es nicht das Stern-Center sein?“ Aus Sicht der Freien Wähler habe zudem die Öffentlichkeitsfahndung zu spät begonnen. „Das schnelle Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit hat aus meiner Sicht vom ersten Tag an das Persönlichkeitsrecht des Täters überwogen.“ Zudem kritisierte Vida, dass der Ausgeführte nur von einem Vollzugsbeamten und einer Ergotherapeutin begleitet wurde. 

Hoffmann bezeichnete diese Vorgehensweise indes als Standard. „Es ist üblich, dass ein Beamter des Vollzugsdienst dabei ist, und in der Regel eine Fachdienstkraft, die auch als Vertrauensperson gilt“, sagte Hoffmann. Das werde auch unter psychologischen Gesichtspunkten so gehandhabt: Die Therapeuten gelten als Vertrauenspersonen der Sicherungsverwahrten und könnten beruhigend auf sie einwirken. Auch dies werde aber noch einmal überprüft. Dazu habe das Ministerium auch eine Umfrage unter den übrigen Bundesländern zur dort laufenden Praxis gestartet. Hoffmann betonte, dass gegen die mit der Ausführung beauftragten Bediensteten derzeit dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet worden seien. Der genaue Hergang der Flucht sei Teil dieses Verfahrens, deswegen könne sie dazu nicht konkret Stellung nehmen.

Eine deutlich andere Position nahm im Ausschuss die Abgeordnete der Linken, Marlen Block, ein. Die früher als Strafverteidigerin tätige Juristin verwies darauf, dass von den Sicherungsverwahrten ein Sonderopfer verlangt werde. Der Entflohene habe auf seiner Flucht keine weiteren Straftaten begangen. „Er hat nicht das getan, was ihm das Gutachten bescheinigt hat“, sagte Block. „Das muss man auch mal zur Kenntnis nehmen, bei aller Empörungspolitik, die hier gefahren wird.“ 

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