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Nach Warnung vor Rechtsextremismus: Bürgermeisterin von Spremberg wehrt sich gegen Anfeindungen
Die parteilose Bürgermeisterin Christine Herntier hat mit einem Brandbrief zu rechten Umtrieben in ihrer Stadt aufgerüttelt. Einige Bürgerinnen und Bürger fordern ihren Rücktritt.
- Monika Wendel
- Verena Schmitt-Roschmann
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Nach ihrem Brandbrief zum Rechtsextremismus hat sich die Bürgermeisterin von Spremberg, Christine Herntier, gegen den Vorwurf verteidigt, sie schade vor allem dem Image der Stadt. „Geht das Problem weg, wenn wir es nicht benennen?“, sagte Herntier in der Sitzung der Stadtverordneten am Mittwochnachmittag.
Sie rief dazu auf, Straftaten wie verfassungsfeindliche Symbole und Volksverhetzung nicht hinzunehmen, gemeinsam dagegen vorzugehen und ein „Bekenntnis“ dagegen abzugeben. Dazu zeigte sie auch Bilder mit rechten Schmierereien und Plakaten aus der 22.000-Einwohner-Stadt in der Lausitz südlich von Cottbus. „Wer findet es gut, wenn wir Gäste am Bahnhof so begrüßen?“, sagte Herntier. Sie bekam in der Stadtverordnetenversammlung viel Unterstützung.
Aus den Reihen der AfD kam in der Sitzung der 27 Stadtverordneten der Vorwurf des Imageschadens an die Bürgermeisterin. Auch einige Bürger kritisierten zuvor bei einer Versammlung am Marktplatz, sie schade dem Ansehen der Stadt.
Geht das Problem weg, wenn wir es nicht benennen?
Christine Hertier (parteilos), Bürgermeisterin von Spremberg
Der AfD-Landtagsabgeordnete und Stadtverordnete Michael Hanko sprach von einer „Randerscheinung“. „Ich glaube, dass das irgendwelche dumme Jungs waren.“ Hanko sagte, es werde in der Sommerpause geprüft, ob ein Abwahlverfahren gegen die Bürgermeisterin angestrebt werde.
Mit einem Brandbrief zum Erstarken des Rechtsextremismus sorgt Herntier – die parteilose Unternehmerin ist seit 2014 Bürgermeisterin von Spremberg – seit Tagen auch bundesweit für Aufsehen. Nun rief sie bei der Stadtverordnetenversammlung zur Diskussion auf. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger glaubt Herntier hinter sich. Aber vor der Sitzung am Mittwoch hatte sie erst einmal Widerworte erhalten. In einer Telegram-Gruppe wurde zu Protesten aufgerufen.
Schon am Vormittag versammelte sich eine kleine Gruppe auf dem Marktplatz, einige forderten den Rücktritt Herntiers. Sie habe hier keine Angst vor Rechtsextremen, sagte eine Teilnehmerin, sondern vor zugereisten Männern. An Schulen seien nicht Rechtsextreme das Problem, sondern ausländische Jugendliche. Eine andere Frau sagt, die Stadt werde in den Dreck gezogen. Sie habe noch nicht gehört, dass es hier eine rechtsextreme Szene gebe.

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Vor Beginn der Stadtverordnetenversammlung sagte dann auch der AfD-Stadtverordnete Michael Hanko, die Bürgermeisterin habe imageschädigend gehandelt. „Heute gebe ich ihr nicht die Hand“, meinte Hanko.
Macht hier wirklich eine Bürgermeisterin, die zuletzt 2021 mit mehr als 60 Prozent wiedergewählt wurde, ihre Stadt schlecht? Mit ihrer Sicht ist sie zumindest nicht allein. Immer wieder verweisen Verfassungsschützer gerade in Südbrandenburg auf eine rechtsextremistische Szene. In Spremberg wurden schon vor mehr als zehn Jahren Attacken rechtsextremer Gewalttäter bekannt.

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Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonio Stiftung, die das Ziel hat, die demokratische Zivilgesellschaft zu stärken und Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einzudämmen, sieht in der Region sogar „rechtsextreme Landnahme aus dem rechtsextremen Playbook“.
Gemeint ist damit das Besetzen von Räumen: Billige Immobilien in der vom Kohleausstieg betroffenen Region werden aufgekauft, öffentliche Plätze zum Beispiel mit Plakaten und Aufklebern als Revier markiert, Jugendliche ohne viele Freizeitoptionen angesprochen.
Der „Dritte Weg“ kommuniziert das ganz offen auf seiner Homepage. „Gespräche mit der Deutschen Jugend vor Ort bestärkten in unserem Handeln“, schreibt die laut Verfassungsschutz rechtsextremistische Gruppe. Es gebe gesteigertes Interesse bei Jugendlichen.
Blumenthaler sagt, es handele sich um „eine militant streng hierarchisch organisierte Neonaziformation“ mit Führerprinzip und NS-Ideologie. Sie biete Jugendlichen Ideologie, Kampfsport, aber auch „kulturell völkische Veranstaltungen“ wie etwa Sonnwendfeiern. Etabliert habe sich die Gruppe in einem Umfeld, in dem auch die AfD stark sei. Bei der Bundestagswahl im Februar erreichte die AfD in Spremberg 45,5 Prozent der Zweitstimmen.
Der Experte sieht die Corona-Pandemie als Beschleuniger der Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren: Es sei eine existenzielle Krisenerfahrung, die den selbsterklärten Widerstand gegen „die da oben“ scheinbar legitimiert habe. Jugendliche hätten im Lockdown Ohnmacht erlebt und zugleich viel Zeit für Tiktok und Co. gehabt, wo die AfD und andere rechte Gruppen stark seien.
Klar ist für den Experten, dass Spremberg kein Einzelfall sei. Das sieht auch der brandenburgische Verfassungsschutz. Die Zahl der Rechtsextremisten in Brandenburg hat nach dessen Erkenntnissen im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht. Erfasst wurden 3650 Personen – fast ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Vier von zehn Rechtsextremisten gelten als gewaltorientiert. (dpa)
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