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Brandenburg: Nächster Ausstieg Hamburg

Zwei Berliner flohen vor Scientology aus der Stadt Der Senat hat zu wenig Hilfsangebote, sagen Kritiker

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Berlin - Ursula Caberta sagt, sie sei „froh, dass die zwei zu uns gefunden haben“. Gamberta, Leiterin der „Arbeitsgemeinschaft Scientology“ der Hamburger Innenbehörde meint ein 14-jähriges Mädchen und ihrem 25-jährigen Stiefbruder, die am vergangenen Donnerstag von Berlin nach Hamburg geflüchtet sind, um aus der umstrittenen Organisation Scientology auszusteigen. Offenbar handelt es sich um Kinder hochrangiger Scientologen, die Stiefmutter des Mädchens soll die Leitende Direktorin des im Januar eröffneten Zentrums in der Otto-Suhr-Allee in Berlin-Charlottenburg sein.

Der Fall freut die Kritiker von Scientology – wirft aber auch die Frage auf, warum die zwei Ausstiegswilligen nicht in Berlin Hilfe gesucht haben. Björn Jotzo, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, findet es „unzureichend, wenn Aussteiger sich nach Hamburg begeben müssen, weil in Berlin keine Anlaufstellen vorhanden sind oder aber weil Anlaufstellen nicht gefunden werden können“. CDU-Kollege Frank Henkel spricht von einem „ Armutszeugnis für den Senat“. Der Vorfall unterstreiche die Richtigkeit eines Antrags seiner Fraktion nach Einrichtung eines „Kompetenzzentrums Scientology“, in dem Ausstiegswilligen konkrete Hilfe angeboten werde.

Auch Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, wünscht sich eine „deutliche Aufstockung der Hilfsangebote in Berlin“. Die Anlaufstelle in Hamburg etwa verfügt über sechs feste Mitarbeiter und ein großräumiges Büro. „So etwas fehlt in Berlin. Wenn mich hier Ausstiegswillige ansprechen, bleibt mir nichts übrig, als sie nach Hamburg weiterzuvermitteln.“

Offiziell gibt es zwar eine Anlaufstelle beim Berliner Senat. Die Verwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat eine „Mitarbeiterin für das Sachgebiet konfliktträchtiger Gruppen am Lebenshilfemarkt“ abgestellt, wie es offiziell heißt.

An diese können sich Bürger wenden, wenn sie Fragen zu Esoterik, Satanismus und Sekten haben. „Nur weiß das keiner“, kritisiert Gandow von der Evangelischen Kirche. „Nicht mal die Mitarbeiter in der eigenen Verwaltung.“

Tatsächlich: Wer die zentrale Info-Nummer 900 der Senatsverwaltung anruft und nach einem Zuständigen zum Thema Scientology fragt, wird an die Evangelische Kirche verwiesen.

Die Bildungsverwaltung hält das eigene Hilfsangebot für ausreichend. Seit Eröffnung der Scientology-Zentrale kämen wöchentlich „ein bis zwei aufgebrachte Bürger, die sich darüber beschweren, dass sich Scientology in der Öffentlichkeit so breit machen darf.“ In drei anderen Fällen hätten Bürger ihre Adressen an Infoständen der Organisation hinterlegt und klagten nun über massenweise Werbepost.

Der Rat der Senatsstelle: „Die Werbung sollte man einfach im Papierkorb verschwinden lassen.“ Grundsätzlich sei man aber vorbereitet, ausstiegswilligen Scientologen zu helfen und – je nach Bedarf – psychologische Beratung sowie Wohnungs- und Jobmöglichkeiten zu besorgen.

Wie der Fall der 14-jährigen Aussteigerin und ihres Stiefbruders in Hamburg weitergeht, ist offen. Scientology-Sprecherin Sabine Weber wollte sich zu dem Fall nicht äußern.

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