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Fusion ganz anders. In der Jugendarrestanstalt Berlin in Lichtenrade sollen künftig straffällig gewordene Jugendlich nicht nur aus Berlin, sondern ab 2016 auch aus Brandenburg untergebracht werden.

© Tim Brakemeier/dpa

Brandenburg: Neue Allianzen

Markov und Heilmann vereinbaren kurz vor der Landtagswahl gemeinsamen Jugendarrest. Das hat Gründe

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Potsdam/Berlin - Nun also doch: Ausgerechnet drei Tage vor der Landtagswahl wollen Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov und Berlins Justizsenator Thomas Heilmann ihre Pläne für eine gemeinsame Jugendarrestanstalt ab 2016 vorstellen. Im politischen Potsdam reibt man sich verwundert die Augen. Denn Heilmann gibt seinem Amtskollegen Markov so kurz vor der Wahl, bei der es für die Parteien der beiden, also CDU und Linke, um die Juniorpartnerschaft in einer SPD-geführten Landesregierung geht, die Möglichkeit, mit einer Erfolgsmeldung zu profilieren.

Dabei hatte sich Heilmann lange dagegen gesperrt. Ursprünglich wollte Markov noch vor der Landtagswahl einen Staatsvertrag über die Eckpunkte eines gemeinsamen Jugendarrestes mit Heilmann verhandeln und möglichst noch durchs Kabinett bringen. Der neu gewählte Landtag wäre dann in Zugzwang. Heilmann hatte im Juli sogar noch schriftlich mitgeteilt, dass er in Berlin erst einmal grundsätzliche Fragen klären muss – mit den rot-schwarzen Koalitionären etwa. Plötzlich ist keine Rede mehr davon. Offenbar wollen beide – Heilmann und Markov – davon profitieren.

Die Verhandlungen waren unter Ex-Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) angelaufen, aber nicht recht in Gang gekommen. Der hatte zuvor die 5,2 Millionen Euro teuren Neubaupläne für einen eigenen Jugendarrest mit 25 Plätzen anstelle der jetzigen Container-Unterkunft in Königs Wusterhausen wegen hoher Kosten und geringen Bedarfs stoppen müssen. Markov, der bis dahin das Finanzressort geleitet hatte, war an einer einfachen, schnellen und finanzierbaren Lösung gelegen.

Es ist eine ungewöhnliche Allianz also. Heilmann muss seine mit 60 Plätzen recht große, aber unterbelegte, nur zu einem Drittel ausgelastete Jugendarrestanstalt in Berlin-Lichtenrade auffüllen. Markov muss die Arrestanten aus Brandenburg irgendwo unterbringen. Die einfachste Lösung – aus seiner Sicht – war da das Angebot aus Berlin. Zugleich können beide damit der gängigen Kritik, bei der Zusammenarbeit beider Länder in der Justiz laufe es nicht rund, begegnen. Ein gemeinsamer Maßregelvollzug kam nicht zustande, bei der Besetzung der Präsidentenposten der gemeinsamen Obergerichte hakt es auch zwischen beiden Bundesländern.

Es gibt aber noch einen anderen Grund: Aus Justizkreisen in Berlin und Brandenburg heißt es nun, beide wollten mit ihren Plänen jetzt noch vor der Wahl Pflöcke einschlagen, an denen ein neuer Justizminister im Land, egal von welcher Partei, nicht umhinkommt. Tatsächlich ist in der rot-roten Landesregierung in Brandenburg nicht jeder überzeugt von der Kooperation beim Jugendarrest. Dazu hat nämlich der Deutsche Richterbund in Brandenburg die im Landtag vertretenen Parteien mit Wahlprüfsteinen befragt. Die SPD antwortete am 25. August, also vor nicht einmal drei Wochen, dass die Zusammenarbeit mit Berlin zwar eine besondere Bedeutung habe, weshalb der gemeinsame auch intensiv geprüft werde. Und dann heißt es in dem von SPD-Landtagsfraktionschef Klaus Ness unterzeichneten Schreiben: „Nach dem derzeitigen Stand ergeben sich aus einer gemeinsamen Anstalt aber nicht genügend Synergien, sodass wir den Jugendarrest in Brandenburg am Standort Königs Wusterhausen fortführen wollen.“ Die Linke verweist in ihrer Antwort darauf, dass noch „ umfangreiche Abwägungen vorzunehmen“, diese aber noch nicht abgeschlossen seien.

Markov und Heilmann waren schneller. Die Bedenken wegen der unterschiedlichen Konzepte für den Jugendarrest sollen ausgeräumt werden. Fraglich ist, ob Berlin die liberalen Regeln Brandenburgs umsetzen kann. Experten halten das für kaum möglich. In Brandenburger Justizkreisen wird Markov auch unterstellt, er wolle die eigenen hohen Standards Brandenburgs samt hoher Kosten durch einen gemeinsam Arrest mit Berlin umgehen. Der Richterbund sieht jedenfalls keinen politischen Willen in Berlin für ein eigenes Jugendarrestgesetz auf Brandenburger Niveau. Das Justizministerium dagegen hatte stets betont, Abstriche seien nicht akzeptabel, die Gesetzesvorgaben Brandenburgs müssten somit auch für in Berlin untergebrachte Arrestanten gelten. Experten und Richter hatten allerdings vor einem gemeinsamen Jugendarrest gewarnt. Kriminelle Jugendliche aus Brandenburg zwischen 14 und 21 Jahren könnten sich in Berlin, wo die Jugendkriminalität extremer ausgeprägt ist, erst recht „kriminell infizieren“. Es sei pädagogisch nicht sinnvoll, straffällige Jugendliche vom Land und aus der Großstadt auf engstem Raum zusammenzulegen, argumentierten sie bei der Anhörung im Landtag.

Für den nächsten Justizminister in Brandenburg bleibt noch einiges zu tun. Der Staatsvertrag für die Zusammenarbeit muss noch ausgearbeitet werden. Die Eckpfeiler der Vereinbarung sind aber bereits festgelegt. Brandenburg soll einen festen Preis für 20 Plätze zahlen – egal, ob sie belegt werden oder nicht. Eine für Brandenburg günstigere Variante, mit Kostenabrechnung pro Tag für arrestierte Jugendliche, ist dem Vernehmen nach vom Tisch. Die Beschäftigten der Container-Anstalt in Königs Wusterhausen sollen auf andere Einrichtungen im Land umverteilt werden.

Bleibt noch die Wirkung, die Heilmanns Auftritt am heutigen Donnerstag vor der Presse für die Landtagswahl bedeutet. Die CDU hat kein Problem damit. CDU-Landeschef Michael Schierack spricht von einer späten Einsicht des Justizministers und verweist darauf, dass nun eine Forderung seiner Partei endlich erfüllt werde. „Fünf Jahre Planung für einen überflüssigen Arrest-Neubau in Brandenburg waren reine Geldverschwendung“, sagte er. Der Gesamtschaden für den Brandenburger Steuerzahler liege bei über einer Million Euro. „Die Bilanz von Rot-Rot ist so schwach, dass jetzt selbst schwere Niederlagen als Erfolgsmeldungen umgedeutet werden müssen“, so Schierack. Mit der über mehrere Jahre dauernden Ablehnung des Berliner Kooperationsangebots sei kurzsichtige Blockade-Politik betrieben worden.

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