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Brandenburg: Neue Energie für Cottbus

Oberbürgermeister Szymanski ist seit 100 Tagen im Amt. Seitdem ist in der Stadt einiges in Bewegung gekommen

Von Sandra Dassler

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Cottbus – Die Pressekonferenz begann ungewöhnlich: Frank Szymanski (SPD) überreichte den Journalistinnen galant eine Rose und gratulierte zum Frauentag. Als ehemaliger Schulleiter würde er den 8. März nie vergessen, scherzte der 50-Jährige, der heute seit 100 Tagen Oberbürgermeister von Cottbus ist.

Seine Wahl im Herbst letzten Jahres hatte ein deutschlandweites Echo gefunden. Zum einen, weil Szymanskis Konkurrent um das höchste Amt von Cottbus, Holger Kelch, für ein Bündnis angetreten war, zu dem – bundesweit einmalig – CDU und Linkspartei/PDS gehörten. Zum anderen, weil Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) seinem Parteifreund und damaligem Verkehrsminister ein „Rückkehrrecht“ eingeräumt hatte. Damit sollte der Verlust von Versorgungsansprüchen kompensiert werden, die Szymanski durch seinen Wechsel vom Minister zum Oberbürgermeister entstanden seien.

Nach seinem Sieg hatte Szymanski versprochen, die im Wahlkampf zerstrittenen Parteien und Stadtverordneten zu einen, um gemeinsam die schwierigen Aufgaben, die vor Cottbus liegen, anzugehen.

Und dieses Versprechen scheint er zu halten. Es ist ihm sogar gelungen, seinen Gegenkandidaten Kelch als Mitstreiter zu gewinnen. Auf der gestrigen Pressekonferenz saß Holger Kelch neben ihm, gerade zum Bürgermeister gewählt und in erster Linie für den Haushalt und die Personalentwicklung zuständig. Dass dies die schwierigsten Problemfelder sind – daraus machten weder Oberbürgermeister noch Bürgermeister einen Hehl. Der Kassensturz ergab noch schlimmere Ausgangsdaten als angenommen. „Es wurde immer von einer Verschuldung von 500 Euro pro Cottbuser Einwohner ausgegangen“, sagte Szymanski: „Aber bei dieser Zahl wurden nur die Investitionskredite berücksichtigt. Nimmt man alle weiteren Verbindlichkeiten hinzu, kommt man auf mehr als 287 Millionen Euro – macht für jeden Einwohner rund 2800 Euro.“

Oberstes Gebot sei es angesichts dieser dramatischen Situation, einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erarbeiten, sonst werde die Stadt handlungsunfähig. Der aktuelle Entwurf sieht eine Reduzierung der Neuverschuldung von 44 Millionen auf 28 Millionen vor. Dabei müsse alles auf den Prüfstand, sagte Szymanski.

Was das heißt, erfuhren die mehr als anderthalbtausend Verwaltungsmitarbeiter seiner Anfang der Woche per E-Mail: Um die Personalkosten zu senken, werde die Zahl von 1480 Vollzeitbeschäftigten auf 1200 reduziert. Der Personalrat protestierte, aber Szymanski bleibt hart: Man werde versuchen, alles so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Aber an der Verschlankung der Verwaltung führe kein Weg vorbei. Und es gab noch mehr schlechte Nachrichten: Die Cottbuser müssen sich auch auf eine Erhöhung der Fernwärme-Preise um fünf Prozent einstellen, auch Trinkwasser und Strom werden möglicherweise teurer. „Wir bieten zu viele Leistungen nicht kostendeckend und deutlich billiger als im Landesdurchschnitt an“, begründete Szymanski.

Seltsamerweise sind viele Cottbuser darüber nicht schockiert: Endlich mal einer, der die Fakten auf den Tisch packe, hört man immer wieder in der Stadt.

Der neue OB hat denn auch erste Erfolge zu verkünden: So wird der ehemalige Flugplatz-Nord zu einem Industrie- und Technologiepark ausgebaut und die innerstädtische Entwicklung nicht mehr von der Zerstrittenheit der Stadtverordneten blockiert. Und Szymanski hat ein weiteres Versprechen gehalten und Bürgersprechstunden wieder eingeführt. Unter seiner Vorgängerin Karin Rätzel (parteilos), die Mitte 2006 abgewählt worden war, gab es die nicht mehr. Im Gegensatz zu ihr sei Szymanski eben präsent, sagen viele Cottbuser. Und das nicht nur beim Karnevalsumzug. Ob bei den Diskussionen um ein Alkoholverbot in der Innenstadt oder den Bemühungen, die hohe Feinstaubkonzentration in Cottbus in den Griff zu bekommen – der OB bemühe sich um Problemlösungen.

Seine Kritiker führen ins Feld, dass bislang alles nur Absichtserklärung und noch kein Euro eingespart sei. Und sie erinnern an das große Ziel, die Abwanderung junger Menschen zu stoppen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Weil Szymanski aber weiß, dass man Politik nicht nur gestalten, sondern auch gut verkaufen muss, eilte er nach der Pressekonferenz zu einer ähnlichen Veranstaltung des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA). Der hatte nach Szymanskis Wahl an seine Mitglieder appelliert, als Zeichen für Neubeginn und Hoffnung in Cottbus 25 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Die mittelständischen Unternehmen reagierten prompt und stellten sogar 77 Jobs bereit. Sandra Dassler

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