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Brandenburg: Neuer Glanz für alte Scheiben

Die ersten sechs Bleiglasfelder der Frankfurter Marienkirche sind fertig / Restaurierung dauert bis 2006

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Die ersten sechs Bleiglasfelder der Frankfurter Marienkirche sind fertig / Restaurierung dauert bis 2006 Von Jörg Schreiber Frankfurt (Oder). „Wir können die Gläser nicht wieder in ihren alten Glanz versetzen, aber wir können ihnen neuen Glanz verleihen.“ Das ist der Anspruch von Chefrestauratorin Gerlinde Möhrle und ihren beiden Fachkolleginnen, die seit Oktober die von Russland zurückgegebenen Beutekunst-Fenster der Marienkirche zu Frankfurt (Oder) aufarbeiten. Die ersten sechs der insgesamt 111 Bleiglasfelder sind inzwischen weitgehend fertig, sagt sie. Bis zum Jahresende soll das mittlere Chorfenster – das die Lebensstationen Christi illustriert – komplett saniert sein. Die beiden anderen ebenfalls zwölf Meter hohen Fenster, die die Schöpfungsgeschichte sowie die Antichrist-Legende darstellen, sollen nach heutigen Plänen 2005 und 2006 restauriert werden, kündigt die Bonner Restauratorin an. Der lange Zeitraum hat nicht nur damit zu tun, dass die drei Fachfrauen nur Teilzeit arbeiten. Unter dem Riesen-Mikroskop in der Werkstatt im Märtyrerchor der Kirche wird auch sichtbar, dass die Glasfelder weit mehr Schäden aufweisen, als mit bloßem Auge auszumachen sind. „Wir haben 100 bis 150 Sprünge pro Feld gefunden“, sagt Möhrle und verweist auf das hohe Alter der wahrscheinlich um 1367 entstandenen Fenster. Bei 80 Prozent der Scheiben handle es sich um mittelalterliches Originalglas: Untersuchungen der Bundesanstalt für Materialforschung hätten ergeben, dass es sich dabei um die typischen Gläser des 14. Jahrhunderts handle. Dieses Material sei sehr korrosionsanfällig. Auf vielen Scheiben seien zudem die Oberflächen stark verwittert. Um so erstaunlicher ist, dass sich die Original-Bemalungen über die Jahrhunderte gut erhalten haben, wie Möhrle anmerkt. Allerdings würden die Ergänzungen der ersten größeren Restaurierung im 19. Jahrhundert unter Schinkel heller ausfallen als die mittelalterlichen Glasmalereien. Die fast sechs Jahrzehnte in den Kellern der St.Petersburger Eremitage hätten auch ihr Gutes gehabt: In jener Zeit sei allgemein viel mit Kunststoff und anderem wenig geeigneten Restaurierungsmaterial gearbeitet worden, davor seien die Scheiben bewahrt worden. Insgesamt haben die Restauratorinnen 440 Fehlstellen gefunden. Mal fehlen Gesichter, mal Teile von Gegenständen im Umfeld der dargestellten Personen. Die Expertinnen wollen die fehlenden Striche und Farben nur dann ergänzen, wenn ein Foto des ursprünglichen Zustands vorliegt, sagt Möhrle. Bei 160 der Fehlstellen sei eine solche Rekonstruktion möglich. Fehlende Glasstücke würden durch farbiges Antikglas ergänzt, die zahlreiche Risse mit Epoxydharz verklebt. Im Restaurierungskonzept wurde festgelegt, dass die sechs gänzlich verloren gegangenen der ursprünglich 117 Bleiglasfelder ersetzt werden sollen. Doch nicht für alle gibt es ausreichende Vorlagen: Von dem Motiv „Baum der Erkenntnis“ liege beispielsweise nur ein Schwarz-Weiß-Foto vor, sagt Möhrle. Deshalb solle über die Farbgestaltung endgültig erst dann entschieden werden, wenn der Rest des Fensters komplett fertig ist. Dafür bleibt noch Zeit: Alle sechs Felder fehlen im linken Chorfenster, das erst 2006 restauriert werden soll. Die Arbeiten werden für künftige Generationen dokumentiert. Anhand von Fotos und Restaurierungsbericht können spätere Veränderungen etwa durch Korrosion schnell festgestellt werden, sagt Möhrle. Die könnten beispielsweise bei Schäden in der Außenschutzverglasung - die die Fenster nach dem Einbau vor Witterung und Feuchtigkeit schützen soll – auftreten. Im Übrigen empfehlen die Restauratorinnen, die Ausstellung in der Sakristei der Marienkirche zu besuchen: Hier werden im etwa zweimonatigen Wechsel jeweils vier der Bleiglasfelder gezeigt. So nahe sind die Glasmalereien nach dem Einbau nicht wieder zu sehen.

Jörg Schreiber

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