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Potsdam: Neues aus Kafkas Schloss

Potsdam, anno 2007, ist eine kafkaeske Stadt. Eine allmächtige Verwaltung regiert hier, der man als Bürger zu oft hilflos ausgeliefert ist. Wer das noch nicht wusste oder für übertrieben hält, kann es jetzt auf 50 Seiten nachlesen.

Der Autor, der Berliner Rechtsprofessor Ulrich Battis, hat das Potsdamer Rathaus unter die Lupe genommen und bestätigt, dass Denkmal- und Bauamt willkürlich mit Bauherren und Investoren umgehen, die in der einstigen Preußenresidenz alte Gebäude sanieren.

Das „System Potsdam“ ist, dass es keins gibt. Nun wird die Debatte um die Missstände in der Landeshauptstadt immer hitziger geführt, was auch mit der Kommunalwahl 2008 zusammenhängt. Die Diskussion beginnt aber, auch das ist typisch für Potsdam, zu entgleiten – und zwar schon in der Wahrnehmung dessen, was eigentlich faul ist in diesem Rathaus: Der Rechtsgelehrte Battis hat den Bau- und Denkmalbehörden Potsdams nicht attestiert, wie manche jetzt meinen, dass sie permanent Recht beugen oder gar brechen würden. Battis rügt vielmehr, dass Recht in Potsdam nicht einheitlich, also willkürlich angewendet wird.

Es geht um Ermessensspielräume. Es geht darum, dass exzessiv Luxus-Denkmalpflege zu Lasten von Bauherren von oben durchgesetzt wird – Widerspruch zwecklos. Dabei werden die Paragraphen frei nach Beamten-Gusto ausgelegt, aber meist noch im Rahmen geltenden Rechts. Kleiner wird das Problem allerdings dadurch nicht, im Gegenteil: Recht lebt von der Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese geht verloren, wo es unterschiedlich angewendet wird.

Und die Folgen? Wo solche Zustände herrschen, entstehen Grauzonen, werden Gegenreaktionen provoziert. Da beantragt ein Günther Jauch auf Schweijksche Weise beim städtischen Denkmalamt bewusst das Gegenteil dessen, was er wirklich will. Die Behörde lehnt wie erwartet rundweg ab – und er erreicht, was er tatsächlich anstrebt. Andere feilschen die Maximalauflagen herunter oder ignorieren sie einfach. Man lässt die Ämter eben Ämter sein.

Richtig ist das nicht. Aber wo ungerechte Zustände wie in Potsdam herrschen, verschwimmen Maßstäbe und Grenzen, können Rechtsbrüche auch ein Akt von Notwehr sein, was sie erklärt, aber nicht entschuldigt. Vielleicht haben die Eigentümer die „Villa Gericke“, die eine abrissreife Ruine war, für ein paar Millionen Euro so gerettet, nämlich an den Behörden und den Gesetzen vorbei.

Passend wäre noch folgendes Schlusskapitel: Es mehren sich Anzeichen, dass Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) dem – je nach Perspektive – guten oder bösen Schwarzsanierer der Villa „Gericke“ gegen die eigene längst außer Kontrolle geratene Verwaltung geholfen – und dabei selbst Grenzen überschritten hat.

Andererseits darf man, wo kafkaeske Zustände herrschen, zumindest einmal fragen: Wo beginnen eigentlich Grenzüberschreitungen, wenn Grenzen in Potsdam erst noch gesetzt werden müssen?

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