
© dapd
Kommunalverfassung: „Nicht der Normalfall im Rechtsstaat“
FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg über rot-rote Pläne zur wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen
Stand:
Frau Teuteberg, die FDP ist die Partei der Wirtschaft. Als solche kritisieren Sie in Brandenburg Rot-Rot, weil die Koalition angesichts knapper Kassen die Kommunen stärken, ihnen mehr wirtschaftliche Betätigung erlauben will. Was ist falsch daran?
Der rot-rote Gesetzesentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung und zur sogenannten Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge ist vom Grundsatz her ein Irrweg. Die Marktwirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass im Wettbewerb stehende Unternehmen den wirtschaftlichen Fortschritt verantworten und dabei Arbeitsplätze schaffen und Gewinne erwirtschaften. Aus deren Besteuerung wird die Tätigkeit des Staates finanziert. Rot-Rot will jetzt die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen erheblich ausweiten. Aber das hilft nicht bei der Bewältigung der Haushaltsprobleme. Jeder Auftrag, den ein Privatunternehmen nicht bekommt, bringt auch weniger Umsatz- und Ertragsteuer. Das Projekt ist eine klassische Milchmädchenrechnung.
Das sagen auch die Unternehmensverbände und Kammern. Aber was ist falsch daran, dass sich Bauhöfe und Stadtwerke stärker einbringen können?
Bislang wird die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen aus gutem Grund begrenzt. Für staatliches Handeln gilt das Subsidiaritätsprinzip. Eine Kommune darf also nur wirtschaftlich tätig werden, wenn ein privates Unternehmen dieselbe Leistung nicht genauso gut oder besser erbringt. Der Staat soll nicht den Wettbewerb einschränken oder verzerren. Er hat ja steuerliche Privilegien, er hat einen erheblichen Informationsvorsprung, er ist mit seinen Möglichkeiten kein gleichartiger Konkurrent. Ein verzerrter Wettbewerb aber schadet letztlich allen, vor allem den Kunden.
Wenn sich Unternehmen benachteiligt sehen, können sie ja klagen.
Das können sie eben nicht. Die Unternehmen können bereits heute vor Gericht nicht überprüfen lassen, ob die Kommunen bei der Gründung und Erweiterung eigener Unternehmen Recht und Gesetz einhalten. Als wir 2009 in den Landtag kamen, haben wir gefordert, den Rechtsschutz für private Betriebe herzustellen und sind an der rot-roten Mehrheit gescheitert. Die will jetzt mit dem neuen Gesetz nicht nur die wirtschaftliche Rolle des Staates weiter ausweiten, sondern beharrt weiter darauf, dass es dabei keine rechtliche Kontrolle gibt. Die Regeln in dem Entwurf sind ein zahnloser Tiger. Es wird den Kommunen überlassen, darüber zu urteilen, ob sie die Regeln einhalten. Wenn man jemandem in solch einem Maße freie Hand lässt, wird er dies aller Erfahrung nach auch exzessiv ausnutzen. Dabei ist es der Normalfall im Rechtsstaat, dass gegen Verwaltungshandeln Rechtsschutz vor Verwaltungsgerichten zu erlangen ist.
Also müssen wir mit einer Verfassungsklage gegen die geänderte Kommunalverfassung rechnen?
Ja, eine Verfassungsklage ist naheliegend. Zunächst kämpfen wir aber politisch dafür, dass es nicht soweit kommt. Denn hier geht es hier ja auch um Grundprinzipien der Politik. Es geht beispielsweise darum, dass sich Politiker darauf beschränken, nur dort tätig zu werden, wo sie auch ein Mandat besitzen. Wenn jetzt kommunale Unternehmen auch außerhalb des Gemeindegebietes tätig werden – also beispielsweise am anderen Ende Brandenburgs – entscheiden Kommunalpolitiker über Dinge, für die sie sich nicht vor dem dortigen Wähler zu verantworten haben. Denn gewählt wurden sie ja nur für die Belange ihrer eigenen Gemeinde. Verfassungsrechtlich war bislang klar, dass sich eine Stadt- oder Kreisverwaltung nur auf ihrem eigenen Gebiet betätigen soll. Rot-Rot hebelt dieses Örtlichkeitsprinzip nun aus und das ist nicht zuletzt auch ein Problem der demokratischen Kontrolle.
Inwiefern?
Bei kommunalen Unternehmen ist die Kontrolle heute schon ein Problem. Ihre Tätigkeit wird außerhalb des für jeden nachvollziehbaren Kernhaushaltes der Gemeinde und leider viel zu wenig transparent ausgewiesen. Wenn wesentliche Teile der Finanzen in einer Kommunen nicht mehr im Etat selbst verbucht, sondern ausgelagert sind, dann sinkt der Einfluss demokratisch gewählter Politiker. So mancher wird sich an die Diskussion um die Stadtwerke Potsdam erinnern, die alljährlich ein großes Fest mit mehreren Hunderttausend Euro finanzieren, ohne dass darüber die Stadtpolitiker mitentscheiden. Bezahlt aber wird solch eine Aktivität nicht von den Managern der Eigengesellschaften und kommunalen Beteiligungen, sondern von den Gebührenzahlern.
Gut, aber in Potsdam zeigt sich doch, dass die Politik gewillt ist, wieder mehr Einfluss zu nehmen.
Ob sich mit diesem Versuch nachträglicher Schadensbegrenzung tatsächlich etwas verbessert, kann bezweifelt werden. Der Fall Potsdam zeigt exemplarisch, dass Kommunalpolitiker eine ausufernde wirtschaftliche Betätigung ihrer Stadt nutzen, um sich Einfluss zu sichern und auszubauen. Es gibt Aufsichtsratsmandate und Vorstandsposten zu verteilen, über die man sich dann zu profilieren versucht und natürlich auch anfällig wird für Interessenskonflikte. Es geht Rot-Rot bei dem Vorhaben nicht in erster Linie um bessere Dienstleistungen für die Bürger, es geht um ideologische Ziele. Die private Wirtschaft mit ihrem legitimen Streben nach Erfolg wird verteufelt, die Politik soll wieder stärkeren Einfluss auf das Geschehen gewinnen. Vor dem Hintergrund der Turbulenzen in der Finanzwirtschaft hört sich das zunächst auch gut an. Aber wer sich erinnern kann, weiß, was herauskommt, wenn der Staat sich einmischt in Bereiche, in denen heute zumeist mittelständische Betriebe im harten Wettbewerb ihre Dienste anbieten. Da brauchen wir nicht mehr Staat, sondern im Zweifelsfall eher weniger staatliche Reglementierung.
Die Fragen stellte Alexander Fröhlich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: