Brandenburg: Nichts aus der Oderflut gelernt?
Hochwasser 1997 kostete in Polen Dutzenden Menschen das Leben. Schutzmaßnahmen seien aber weiter unzureichend, so Experten
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Warschau/Potsdam - Braune Wassermassen, die Städte und Dörfer fluteten und Tausende Menschen um ihre Existenz brachten: Ein neuerliches Szenario wie beim katastrophalen Oder-Hochwasser 1997 will Polens Regierung vermeiden. Seit der sogenannten Jahrhundertflut steckte sie nach Angaben des Wasserwirtschaftsamts mehr als eine Milliarde Euro in Schutzmaßnahmen und Reparaturen. Ob diese sinnvoll und die Menschen nun ausreichend geschützt sind, stellen Experten allerdings infrage.
Erinnerungen an die 20 Jahre zurückliegende Naturkatastrophe am deutsch-polnischen Grenzfluss dienen ihnen als Warnung: Dutzende Menschen starben, als im Juli 1997 an mehr als 1000 Stellen die Oder-Deiche brachen. Die Kosten der Zerstörung waren immens. In Polen beliefen sie sich auf knapp 2,5 Milliarden Euro, wie der Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Albrecht Broemme, schätzt.
Auch Deutschland wurde schwer getroffen. Dort betrugen die Schäden knapp 500 Millionen Euro. „Wären damals in Polen nicht die Deiche am Oberlauf gebrochen, hätte uns die Flut sehr viel stärker getroffen“, betont der ehemalige Leiter des Brandenburger Landesumweltamts, Matthias Freude. Auch in Brandenburg gab es damals 200 bis 300 Jahre alte Deiche, die auf zum Teil sehr rutschigem Untergrund (Auenton) standen.
Inzwischen rüstete Polen kräftig nach: Schutz-, Überwachungs- und Warnsysteme in Städten wie Breslau (Wroclaw) und Oppeln (Opole) wurden modernisiert und ausgebaut, wie das polnische Wasserwirtschaftsamt mitteilt.
Weitere Arbeiten seien im Gange: Mithilfe von EU-Geldern solle der Schutz der Grenz-Oder verbessert werden. Für einen verbesserten Schutz seien auch neue Vorschriften erlassen worden. Mitunter sei die Bebauung flutgefährdeter Gebiete nur noch eingeschränkt möglich, heißt es aus Polen. Aus der damaligen Katastrophe habe man Schlüsse gezogen und die Erfahrungen in neuen Gesetzen berücksichtigt, betonen Warschauer Behörden.
Doch Naturschützer sind skeptisch. Polens Hochwasserschutz habe noch viele Schwachstellen, sagt Edyta Jaszczuk vom World Wide Fund For Nature (WWF) Polen. Vor allem das Verwaltungschaos sei ein großes Problem, kritisiert sie. Unterschiedliche Behörden seien für die polnischen Flusssysteme zuständig. „Es fehlt ein Hauptverantwortlicher“, sagt Jaszczuk. Das habe zur Folge, dass die Arbeiten am Hochwasserschutz oft nicht abgestimmt seien. Viele Behörden agierten nicht miteinander, sondern in vielen Fällen gegeneinander. Auf diese Weise habe die Regierung Gelder in Millionenhöhe verschwendet, kritisiert die Expertin.
Als Beispiel nennt Edyta Jaszczuk Projekte, die in kleineren Flüssen den Wasserablauf beschleunigten. Das sei kritisch, weil im Hochwasserfall die Flutwelle schnell in Richtung der größeren Ströme abgeleitet werde und damit das Flutrisiko dort steige. Aktuelle Bemühungen, die Verwaltung mit einem neuen Gesetz zu verbessern, sieht sie pessimistisch: „Der Gesetzesentwurf lässt noch viel zu wünschen übrig.“
Auch die Brandenburger Experten schauen teilweise verständnislos in Richtung Nachbarland. So werde derzeit an der Oder südlich von Stettin versucht, das Zwischenland einzudeichen. Der Fluss teile sich hier in die Strom- und in die Westoder. Das dazwischenliegende Land soll künftig landwirtschaftlich genutzt werden, hieß es.
Wenn es wirklich so komme, hätte die polnische Seite aus der Oderflut von 1997 nichts gelernt, erklärten die Experten übereinstimmend. WWF POLEN]
Natalie Skrzypczak,
Georg-Stefan Russew/dpa
Natalie Skrzypczak, Georg-Stefan Russew, dpa
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