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Von Thorsten Metzner: Nord schwört Linke auf Anti-Schlussstrich-Kurs ein
Parteichef mit mageren 78 Prozent wieder gewählt / Beschluss zur Offenlegung von Stasi–Verstrickungen
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Potsdam - Er hat die Linken in Brandenburg von Wahlerfolg zu Wahlerfolg und am Ende in die rot-rote Regierung geführt: Trotzdem wurde Parteichef Thomas Nord am Wochenende auf dem Landesparteitag in Potsdam von den 140 Delegierten nur mit einem Ergebnis von knapp 78 Prozent im Amt bestätigt. Das ist deutlich schlechter als 2008. 86 Prozent hatte der 52-Jährige, der den 9000 Mitglieder zählenden Verband mit straffen Zügeln führt, damals erhalten. Stellvertreter sind der Landtagsabgeordnete Stefan Ludwig und die Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann. Es war der erste Parteitag seit der Regierungsbeteiligung der Linken. Und im Mittelpunkt stand nach den Stasi- Enthüllungen in der Landtagsfraktion der Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Als Konsequenz fasste man nun einen Beschluss, der die Mitglieder vor Kandidaturen zur Offenlegung von früheren Stasi-Verstrickungen und politischen Biografien aus DDR-Zeiten verpflichtet. Für den Antrag votierte die große Mehrheit. Es gab fünf Gegenstimmen bei 13 Enthaltungen. Allerdings musste Nord eindringlich um Zustimmung werben, da es spürbare Vorbehalte und Widerstände gab. „Ich empfinde es als Selbstverständlichkeit, ehrlich mit der eigenen Biografie gegenüber denjenigen zu sein, die einen wählen sollen“, sagte der Parteichef, der seine frühere Spitzeltätigkeit für die Staatssicherheit Anfang der 90er Jahre öffentlich gemacht hatte. „Wer das nicht kann oder will, der darf nicht in der Öffentlichkeit Politik machen.“ Es gehe nicht um Reaktionen auf eine Koalition, sondern um das „Selbstverständnis“ der Partei, um Maßstäbe, die in den 90er Jahren galten. Sollte der Parteitag dem nicht folgen, dann wäre das „nicht glaubwürdig“, dann hätte er damit auch „persönlich große Schwierigkeiten“. Einige verstanden das sogar als indirekte Rücktrittsdrohung.
Anlass, dass Nord so deutlich wurde, war die von einigen Delegierten geäußerte Kritik an der resoluten Linie von Fraktions- und Parteispitze seit den Stasi-Erschütterungen, die an der Parteibasis – Durchschnittsalter 66 Jahre – umstritten ist. So warnte die Landtagsabgeordnete Margitta Mächtig vor einer Einteilung in zwei Klassen von früheren IMs: „Wer sich 1991 bis 1993 offenbart hat, das sind die Guten.“ Die anderen, die das nicht getan hätten, seien plötzlich die Schlechten. Sie selbst habe „ein schlechtes Gewissen“ wegen der Ex-Landtagsabgeordneten Renate Adolph, die nach der rot-roten Regierungsbildung eine Zusammenarbeit der Stasi-Auslandsspionage offenbart hatte und zurückgetreten war. „So geht die Auseinandersetzung nicht“.
Fraktionschefin Kerstin Kaiser, die mit ihrer IM-Vita seit Mitte der 90er Jahre offen umgeht, wies das zurück: „Wir sollten nicht neue Mythen aufbauen.“ Adolph „könnte noch Abgeordnete sein, wenn sie vor der Wahl den Mut gehabt hätte, die Dinge offenzulegen.“ Auch Kaiser betonte, dass der neue Parteitagsbeschluss „keine Formalie“ sei. Darin heißt es, dass für den Schaden, der durch Verheimlichen von Verstrickungen entsteht, die Betroffenen „persönliche Verantwortung“ tragen. In solchen Fällen müsse „kritisch geprüft“ werden, ob solchen Parteimitgliedern „noch das Vertrauen ausgesprochen werden kann“.
Der Parteitag beschloss außerdem einen Antrag, wonach in künftigen Regierungen Linke–Minister nicht parallel ihr Landtagsmandat behalten dürfen, die so genannte Trennung von Amt und Mandat. Ein Antrag, die betroffenen heutigen Minister Ralf Christoffers (Wirtschaft) und Anita Tack (Umwelt) zur Aufgabe der Mandate aufzufordern, fand keine Mehrheit. Dass beide ihre Posten behalten wollen, ist in der Partei umstritten.
Der Parteitag beschloss außerdem einen Leitantrag (Titel: „opponieren, regieren, konsolidieren, verjüngen“), der den Regierungskurs unterstützt und in die Debatte um das künftige Bundesprogramm eingreift. Er enthält ein Bekenntnis zum „demokratischen Sozialismus“. Nord übte aber Kritik am „Machtkampf“ an der Spitze der Bundespartei. „Eine zerstrittene Partei wird nicht gewählt“. Nach dem Rückzug der Autoritäten Oskar Lafontaine und Lothar Bisky habe die Partei ein „Zentrum“ verloren. Ein neues, auch kollektiv geführtes, gebe es noch nicht. Trotz eigener Vorbehalte warb Nord für die designierte Bundesspitze mit Klaus Ernst und Gesine Lötzsch: „Etwas Besseres werden wir im Moment nicht zustande bekommen“.
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