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Brandenburg: „Nur Dreck, Lärm und Keime“
Knapp 500 000 Hühner sollen künftig zwischen Müncheberg und Fürstenwalde gemästet werden. Eine Bürgerinitiative wehrt sich gegen die Pläne mit ähnlichen Argumenten wie die Schweinemast-Gegner von Haßleben. Dort will man nun vor Gericht ziehen
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Potsdam - Für Kerstin Hellmich hat der Widerstand in Haßleben Vorbildcharakter: „Ich bewundere den langen Atem. Wir wissen, wie schwer das ist. Ständig wird alles runtergespielt, lächerlich gemacht, immer wieder wird man in eine bestimmte Ecke gestellt. Aber wir sind keine Stänkerer, wir wollen einen Mehrwert für die ganze Gemeinde“, sagt die 59-Jährige. Während die Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein“ in der Uckermark seit rund zehn Jahren gegen den Bau einer großen Schweinemastanlage kämpft, wollen Hellmich und rund 40 weitere Mitglieder der Bürgerinitaitive „Dörfergemeinschaft gegen Hähnchenfabriken in Steinhöfel“ einen großen Hühnermastbetrieb in ihrer Gemeinde Steinhöfel (Oder-Spree) verhindern. Eine Mastanlage mit Platz für knapp 500 000 Hähnchen will Gebhard Graf von Hardenberg der Bürgerinitiative auf freiem Feld zwischen den Orten Buchholz und Tempelberg errichten.
Wie die Schweinemast-Gegner in Haßleben befürchten auch Hellmich und ihre Mitstreiter durch die Anlage zur Massentierhaltung massive negative Folgen für ihre Umgebung und so gut wie keine positiven Effekte. Nach etlichen Jahren in Berlin ist die geborene Thüringerin nach Brandenburg aufs Land gezogen. „Die Landschaft ist sehr ansprechend und wir können uns hier selbst versorgen“, erzählt die Tempelbergerin. Nun aber sei die Idylle in Gefahr, die weitere touristische Entwicklung der Region bedroht. „Schon allein durch die vielen 40-Tonner, die dann durch die Orte rollen werden.“ Zudem müssten bei Mastbetrieben dieser Größendordung Antibiotika eingesetzt werden, weil sich wegen der Beengtheit in der Haltung Keime sonst schnell ausbreiten, glaubt Hellmich. Durch den dauerhaften Antibiotikum-Einsatz jedoch würde wiederrum die Enstehung multiresistenter Keime gefördert, die dann durch das Ausbringen des Hühnermists auf die Felder der Umgebung in den natürlichen Kreislauf gelangen. „Ohnehin wird dieses Fleisch eigentlich gar nicht gebraucht. Uns wird immer erzählt, es geht um den Hunger in der Welt. Das Hühnchenfleisch aber wird massenhaft nach Afrika exportiert und zerstört dort bloß die regionalen Märkte“, kritisiert die Aktivistin.
In Haßleben jedoch haben ähnliche Argumente bislang nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Wie berichtet hatte die zuständige Genehmigungsbehörde, das brandenburgische Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV), vor rund einem Monat eine Genehmigung erteilt – allerdings unter der Auflage, dass erst gebaut werden darf, wenn über die zu erwartenden Widersprüche und Klagen gegen das Projekt entschieden sei. Wie berichtet will der niederländische Investor Harrie van Gennip auf dem Gelände einer ehemaligen DDR-Schweinmastanlage künftig bis zu 36 000 Schweine unterbingen. Ursprünglich war sogar von bis zu 85 000 die Rede. Immer wieder hatten die Schwweinemast-Gegner versucht, mit Gutachten die negativen Folgen für die Umwelt zu belegen. Dem LUGV zufolge wurden insgesamt 1234 Einwendungen gegen das Vorheben eingereicht.
Der Behörde zufolge ist bislang kein Widerspruch gegen die Genehmigung eingereicht worden. Die aber wird wohl in den nächsten Tagen eintrudeln. Sowohl die Bürgerinitiative als auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) in Brandenburg hatten bereits kurz nach Bekanntwerden des Genehmigungsbescheids weitere Schritte angekündigt. Die Naturschützer wollen sogar noch weiter gehen. „Sollte der Widersruch abgeleghnt werden, besteht die Mögliochkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Auch diesen Weg werden wir dann wohl gehen“, sagt BUND-Naturschutzreferent Axel Heinzel-Berndt. Allerdings gebe es „ein bisschen Probleme mit dem Geld“, so der Naturschützer. Zu rechnen sei mit Verfahrenskosten in Höhe von 100 000 Euro. „Aber wir haben uns schon mit Bitte um Unterstützung an die Öffentlichkeit gewandt.“
Auch in Steinhöfel kämpft der BUND mit an forderster Front. „Anders als in Haßleben stehen wir dort noch ganz am Anfang“, berichtet Axel Heinzel-Berndt. Bislang habe der Investor lediglich seine Pläne Ende vergangenen Jahres vorgestellt und daraufhin vom LUGV eine Liste mit zu leistenden Voruntersuchungen bekommen. Mit einem Antrag auf Genehmigung der Anlage rechnet Heinzel-Berndt „frühestens im Herbst“.
Dem LUGV zufolge stehen hinter dem Projekt die Firmen Tempelberger GmbH und Charlottenhofer GmbH. Zu beiden ist im Internet allerdings weder eine E-Mail-Adresse noch eine Telefonnummer zu finden. Auch über die Telefonnummer der Komutrei Lietzen, dem landwirtschaftlichen Betrieb der von Hardenberg, ist keiner zu erreichen.
Dem BUND zufolge ist das Interesse von Investoren aus der Massentierhaltung an Standorten in Brandenburg zuletzt deutlich gestiegen. Nach wie vor sei der Tierbesatz, also der Bestand an Rindern, Schweinen oder Hühnchen, gemessen an der landwirtschaftlichen Fläche im Land noch vergleichsweise gering, doch weil in Niedersachsen und auch in den Niederlanden wegen negativer Folgen für das Trinkwasser durch die Massentierhaltung kaum noch Anlagen genehmigt werden, suchen Investoren zunehmend alternative Standorte. „Vor allem auch in Brandenburg", so Heinzel-Berndt. Dort seien die Eigentümerstrukturen aufgrund der Größe vieler Betriebe besonders günstig, sagt der Naturschützer. „Statt mit zehn Landwirten müssen die Investoren nur mit einem verhandeln, wenn es darum geht, genügend Fläche für das Ausbringen der Gülle zu bekommen.“ In letzter Zeit seien besonders viele Anträge auf eine Genehmigung eines Mast- oder Zuchtbetriebs bei den brandenburgischen Behörden gestellt worden. „Es gibt eine gewisse Häufung“, so Heinzel-Berndt weiter.
Gegenüber den Gegnern solcher Massenzuchtanlagen verweisen die Behörden immer gerne auf die Tatsache, dass ihnen quasi die Hände gebunden seien, wenn ein Antrag vollständig und grundsätzlich genehmigungsfähig sei. „Das stimmt auch“, räumt der BUND-Naturschutzreferent ein. Aber in Niedersachsen etwa werde mittlerweile versucht durch strengere Auflagen beim Brandschutz, weitere Mast- und Zuchtbetriebe zu verhindern. „In Brandenburg fehlt einfach der politische Wille“, meint Axel Heinzel-Berndt.
Schon wegen der Genehmigung der Schweinemastanlage in Haßleben musste sich Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) viel Kritik anhören. Das LUGV untersteht ihrem Ministerium. Selbst Parteigenosse Peer Jürgens, der ebenfalls für die Linke im Landtag sitzt, plädiert für einen restriktiveren Umgang mit solchen Genehmigungsanträgen. „Ich wünsche mir, dass man oft kritischer draufschaut, versucht mit Lärmschutz- oder Brandschutzauflagen die Dimensionen zu begrenzen“, sagt Jürgens, zu dessen Wahlkreis Steinhöfel gehört. „Ich bin nicht grundsätzlich gegen Hähnchenmastanlagen, aber ich habe immer gesagt, dass ich Zweifel wegen der Größenordnung habe.“ Michael Jungclaus, Umweltexperte der Grünen-Landtagsfraktion, dagegen hält solche Betriebe für schlichtweg überholt. „Ich finde das einfach nicht mehr zeitgemäß. Jetzt, wo ständig neue Biomärkte eröffnen, Zehntausende auf den Straßen für eine artgerechtere Tierhaltung demonstrieren.“
Tatsächlich gibt es auch Menschen, die sich so einen Betrieb durchaus wünschen, weil er oft mit der Hoffnung nach wirtschaftlichen Impulsen und neuen Arbeitsplätzen verbunden ist. In Haßleben etwa setzt sich die Interessengruppe „Pro Schwein“ seit Jahren für die Pläne van Gennips ein. Bei Kerstin Hellmich jedenfalls ziehen solche Argumente nicht. Ihren Berechnungen zufolge sollen durch den Betrieb gerade einmal 2,1 Arbeitsplätze in Steinhöfel entstehen. „Und die werden auch noch mitgebracht“, sagt die Aktivistin. Wegen der vielen Abschreibungsmöglichkeiten werde wohl auch so gut wie keine Gewerbesteuer in die Gemeindekasse fließen. „Uns bleiben nur der Dreck, der Lärm und die Keime.“
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