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Geschlossen. Auch das Kinder- und Jugenheim der Haasenburg GmbH in Neuendorf am See ist verlassen.

© dpa

Vorwürfe gegen Haasenburg-Heime: Nur kein Aufsehen

Hat Brandenburgs Bildungsministerium in der Vergangenheit nur halbherzig auf Vorwürfe gegen die Haasenburg-Heime reagiert?

Stand:

Das brandenburgische Bildungsministerium soll über Jahre Hinweisen zu Missständen in den umstrittenen Kinder- und Jugendheimen der Haasenburg GmbH nur mit wenig Nachdruck nachgegangen sein. Das werfen eigene Mitarbeiter dem Ministerium vor. „Das ganze Thema wurde immer kleingehalten“, sagte ein Beamter des Ministeriums den PNN. Zwar habe eine Vielzahl von Vorwürfen vorgelegen, allerdings seien sowohl das Ministerium noch das ihm unterstehende Landesjugendamt energisch genug vorgegangen. Weil die Führung des Hauses in der Bildungspolitik ohnehin ständig an mehreren Fronten – schlechtes Abschneiden bei Vergleichstests, Personalausstattung, Reformen – zu kämpfen habe, seien Konflikte mit dem Heimbetreiber vermieden worden. „Man wollte wenigstens an dieser Stelle Ruhe haben und nicht noch eine weitere Baustelle aufmachen“, sagte ein anderer Mitarbeiter. Es habe die Devise geherrscht: nur kein Aufsehen.

Zugleich habe im Bereich der Schulaufsicht des Ministeriums große Unzufriedenheit mit der Jugendabteilung geherrscht, deren Vorgehen sei intern als zu zaghaft kritisiert worden. Dagegen habe es zwischen der Schulaufsicht und den Einrichtungen der Haasenburg, aber auch anderen Heimen, in denen die Behörden die Umsetzung der Schulpflicht kontrollieren und auch durchsetzen müssen, immer geknirscht. Oft genug sei die Behörde beim Versuch, in den Heimen stärker zu kontrollieren, Missständen auf den Grund zu gehen, auf Widerstand gestoßen.

Dass sich das Ministerium intern selbst unischer war, wie mit den teils schon seit Jahren bekannten schweren Vorwürfen umzugehen ist, hat es selbst schon eingeräumt. Die Kontrollen sieht es aber bislang als ausreichend an. In der Regel gibt es nur angekündigte Besuche, bei besonderen Vorkommnissen wie Beschwerden oder gemeldeten Vorfällen kann es auch zu unangemeldeten Besuchen kommen – nur fanden die in der Vergangenheit bei der Haasenburg kaum statt. In den Haasenburg-Heimen gab es lediglich 2010 einen unangemeldeten Besuch. Wie berichtet gibt es in der Behörde für landesweit 400 Jugendhilfeeinrichtungen nur drei Mitarbeiter für derlei Kontrollen.

Landesjugendamtsleiter Karsten Friedel sieht kein Problem. Ständige Kontrollen seien ein Eingriff in das „Zuhause der Jugendlichen. Und das Meldesystem funktioniere. Tatsächlich gab es sogar Belegungsstopps, die Einrichtungen müssen von sich aus melden, wenn es nicht genügend Personal gibt oder sogenannte Anti-Aggressionsmaßnahmen vorgenommen werden. In der Fachsprache wird das als Begrenzen bezeichnet. Gefährdet ein Insasse sich selbst oder andere, rastet er also aus, kann er „begrenzt“ werden – durch Festhalten etwa. Derlei ist richterlich erlaubt für Jugendliche, bei denen Gerichte eine geschlossenen Unterbringung anordnen. Oft sind es schwierige Fälle, sie haben Gewalt erlebt, zerfallende Familien, Drogen konsumiert, ihr Sozialverhalten ist massiv gestört. Nach mehreren Hilfeversuchen ist für sie die Haasenburg die letzte Station vor dem Jugendknast oder der Psychiatrie. Der Jüngste in der Haasenburg war zehn Jahre alt.

Tatsächlich gab es auch in der Haasenburg regelmäßige Kontrollen – und das deutlich häufiger als in anderen Jugendhilfeinrichtungen des Landes. Offenbar war das auch nötig: Nach einer dem Landtag vorgelegten Statistik des Bildungsministeriums häuften sich in den Jahren 2008 bis 2010 „problematische Vorkommnisse“, der Grund dafür blieb aber unklar. Die Mitarbeiter des Landesjugendamtes waren aber von 2008 bis heute rund 20-mal in den Haasenburg-Heimen für Vor-Ort-Prüfungen und haben rund 30 Beratungen zur pädagogischen Arbeit in den Heimen durchgeführt. Und es gab verschiedene, tiefgreifende Auflagen. Auffällig ist daran vor allem, dass diese überhaupt nötig waren. Im Herbst 2009 wurden Fixierliegen und Einheitskleidung verboten. Zudem erteilte die Behörde Vorschriften, wie Anti-Aggressionsmaßnahmen zu melden und zu überpüfen sind. Im Februar 2010 folgte ein „Auflagenbescheid zur Wahrung der Grundrechte“, es ging um Körperkontrollen, Umgang mit persönlicher Kleidung, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis und den Umgang mit Vertrauenspersonen. Im November 2011 gab es die vorerst letzte Auflage: „Verbot jeglicher Videoüberwachung auch in Fluren und Anti-Aggressions-Räumen, sofortiger Abbau der Kameras“.

Probleme gab es also zu genüge schon vor Jahren, das Ministerium wusste davon, wie die Auflagen zeigen. Neu ist die Wucht der Vorwürfe, die nun zu Tage treten. Dabei haben frühere Mitarbeiter sich in der Vergangenheit schon häufiger an die Medien gewandt, weil sie die Situation in der Haasenburg nicht ertragen haben. „Was dort passiert, ist keine Pädagogik, das ist purer Drill. Was die Kinder brauchen, ist eine Behandlung. Das findet aber nicht statt“, sagte eine Ex-Mitarbeiterin den PNN. Nach den Berichten aber wurden Jugendliche nicht nur „begrenzt“, weil sie ausgerastet sind und gewalttätig waren. Die Methode wurde demnach als Sanktion angewandt, was nicht zulässig ist. Ein Ex-Mitarbeiter berichtete dem rbb auch, er habe während in den geschlossenen Heimen in Jessern und Müncheberg von 2008 bis 2010 „Isolation, Fixierungen und militärischen Drill“ erlebt. Dabei seien Kollegen gegen Kinder und Jugendliche schon bei trotzigem Verhalten körperlich vorgegangen – und nicht erst bei Eigen- oder Fremdgefährdung. Bei Beleidigungen gegenüber Erziehern sei die sogenannte Handklemme angewandt worden, die mit Schürfwunden, Schmerzen und Tränen verbunden gewesen sei.

Auch wenn sich in den Haasenburg-Heimen seit 2010 einiges geänderthat, sieht die Grünen-Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem ein Problem: Der Geist, der hinter einer Pädagogik stehe, die Fixierliegen anwende, ändere sich nicht, weil Liegen nicht mehr benutzt werden. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner stellt den Ansatz komplett infrage, denn Zwang rufe immer Widerstand hervor, sagt er.

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