Von Susann Fischer und Michael Klug: Obdachlose im Heim misshandelt?
Bewohner der Sozialherberge Döllner Heide sollen geschlagen und bedroht worden seien
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Schorfheide - René Devrient kann sich kaum beruhigen. Mit Schlabberhosen und T-Shirt steht der füllige Mann inmitten der Wohnanlage in der Döllner Heide und muss sich vor Presseleuten erklären. „Da hat man was aufgebaut, das auch ohne staatliche Hilfe funktioniert und das alle gut finden. Und dann wird das mutwillig von ein paar Einzelnen in den Schmutz gezogen“, erbost sich Devrient. Grund der Aufregung ist ein Fernsehbericht über das Areal Döllner Heide, das der Brandenburger mit hugenottischen Vorfahren im Jahr 1996 von der Treuhand erworben und seitdem als Wohnanlage für sozial Benachteiligte betreibt. Laut dem Bericht soll er Bewohner traktiert und geschlagen haben. „Kommen Sie rein und schauen sie sich um. Hier leben und arbeiten seit 13 Jahren Menschen zusammen, die woanders keine Chance mehr haben. Machen sie sich bitte ihr eigenes Bild“, sagt Devrient fast schon flehentlich.
Die Vorwürfe gegen den studierten Landwirt sind hart. In den Jahren von 1999 bis 2004 soll der heute 47-Jährige in der Wohnanlage mitten im Biosphärenreservat Schorfheide ehemalige Bewohner angeblich schwer misshandelt haben. Nach einem Bericht der RBB-Sendung „Brandenburg aktuell“ soll er die Männer angeblich bedroht, geschlagen und zur Arbeit gezwungen haben. Wer sich geweigert habe, zu arbeiten, sei von ihm „nackt in den Schnee“ geworfen oder unter die kalte Dusche gestellt worden.
„Völlig haltlos“ nennt Devrient die Anschuldigung. „Die Männer wurden mir damals vom Ordnungsamt gebracht, mit einer Liste von Vorstrafen“, erzählt er. Von Beginn an habe er die Männer, die mit Drogenproblemen und Gewaltdelikten einschlägig aufgefallen und laut Devrient nirgendwo mehr untergekommen waren, nicht in das Wohnkonzept integrieren können. „Wir leben hier nach dem Motto Selbsthilfe, die haben meist nur in den Betten gelegen“, sagt Devrient. Im Laufe der Zeit sei es dann häufiger zu Problemen zwischen ihm und den Männern gekommen. „Als die angefangen haben, hier das Kommando zu übernehmen und ältere Bewohner zu traktieren, musste ich einschreiten“, sagt er. Zu Handgreiflichkeiten oder den benannten Strafaktionen sei es allerdings nie gekommen, versichert Devrient. Als die Männer irgendwann freiwillig auszogen, seien er und die 80 Bewohner „froh gewesen“.
Eine Sozialarbeiterin von der Suppenküche Eberswalde bekräftigte indes die Erklärungen der beiden Opfer. Ihr gegenüber hätte sogar ein dritter, mittlerweile verstorbener Ex-Bewohner von Schlägen berichtet, sagt Herma Schulz. Auch seien die Männer ihres Wissens nach gegen ihren Willen in der Schorfheide festgehalten worden. „Das ganze Areal erinnert ja schon an ein Lager. Und Sozialarbeit hat dort bestimmt nicht stattgefunden“, sagt Schulz über die Anlage, die einst die Nazi-Größe Hermann Göhring erbauen ließ und die die Staatssicherheit der DDR später nutzte.
Der Bürgermeister der Gemeinde Schorfheide, Uwe Schoknecht (Bündnis Schorfheide), bestätigte, dass vor etwa sechs Wochen Vorwürfe gegen den Betreiber der Siedlung bekanntgeworden seien. Der Fall sei sofort den zuständigen Behörden – Grundsicherungsamt, Jobcenter und Polizei – mitgeteilt worden. Bei einem persönlichen Gespräch habe der Betreiber geschildert, dass es unter den Bewohnern zum Teil Probleme mit Alkohol und Drogen gegeben habe. Manchmal seien sie deshalb in Streit geraten, er habe deswegen einschreiten müssen. Misshandlungsvorwürfe habe der Betreiber jedoch zurückgewiesen, sagte Schoknecht. Schoknecht betonte, das Heim sei regelmäßig überprüft worden, es habe bislang keine Beanstandungen gegeben. Der Bürgermeister fügte hinzu, die Gemeinde unterhalte keinen Vertrag mit dem Heim. Es gebe auch gar keine Obdachlosen in der Schorfheide. Die Stadt Eberswalde hat nach eigenen Angaben bislang auch nur wenige Obdachlose nach Döllner Heide vermittelt. Im vergangenen Jahr seien es weniger als fünf gewesen, sagte Sprecher Robby Segebarth. Misshandlungsvorwürfe seien bislang nicht an die Stadt herangetragen worden. Laut RBB leben und arbeiten in der Sozialherberge Döllner Heide seit mehreren Jahren Menschen, die Mietschulden haben oder obdachlos waren. Die meisten der insgesamt 80 Menschen, die heute noch auf dem Areal wohnen, stehen unterdessen hinter Devrient. „Ein guter Mensch“ sei er, sagt etwa eine Mittfünfzigerin, die seit 1999 in einem der Häuser lebt. Zudem betont sie das besondere Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Eigentümer. „Er wohnt bei uns, wir essen gemeinsam, er macht keinen Unterschied zwischen ihm und uns“, sagt die Frau.
Susann Fischer, Michael Klug
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