Offline: Online-Plattform für Linke-Basis abgeschaltet
Ex-Landtagsabgeordneter Andreas Trunschke rügt die fehlende Kommunikationskultur der Regierungs-Linken und zieht Konsequenzen.
Stand:
Potsdam – Er zieht seine Konsequenz aus Ignoranz und Schönfärberei, die er bei den Linke-Spitzen im Land Brandenburg ausmacht: Wegen der nach seinen Erfahrungen verknöcherten, antiquierten Kommunikations- und Führungskultur der Linkspartei in Brandenburg schaltet der frühere Landtagsabgeordnete Andreas Trunschke die Internet-Plattform „Linke in Regierungen“ ab. Und zwar „zum Ende des Monates“, wie Trunschke, der von 1994 bis 2004 und dann noch einmal von 2008 bis 2009 Mitglied des Landtages war, jetzt in einer im Netz veröffentlichten „Schlussbemerkung“ ankündigte. Aus der ihm fremd gewordenen Linkspartei, deren mangelnde Offenheit er immer wieder kritisiert hatte, war er Ende des Jahres 2011 ausgetreten, wie er am Donnerstag auf PNN-Anfrage bestätigte.
Als Freiberufler hatte Trunschke den offiziösen „linken Diskussionsblog“ seit Bildung der rot-roten Koalition im Land 2009 betrieben, gedacht als moderne, basisnahe Mitmach-Plattform für eine breite Debatte zum Selbstverständnis der nach 20 Jahren Opposition nunmehr regierenden Partei, zum Spagat zwischen Kompromissen und eigenen Ansprüchen, gefördert von der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die Seite hatte durchaus Zuspruch, zählte 130 000 Gäste, versuchte etwa eine offene Debatte zur in der Partei hochstrittigen amtlichen Energiepolitik. In seiner „Schlussbemerkung“ erklärt Trunschke das Projekt trotzdem für gescheitert – und zwar wegen der Blockade durch die Linken in der Regierungskoalition selbst. In ersten Reaktionen erhielt er auch aus der Landtagsfraktion, wo der Frust über die zunehmende Abnick-Rolle für Regierungsentscheidungen wächst, Verständnis für seinen Schritt.
„Es fehlte am Wesentlichen“, schreibt Trunschke. Ein linker Diskussionsblog über Linke in Regierungen „braucht die stete, offene und transparente Mitwirkung der LINKEN in Regierung“. Doch diese habe es trotz zahlreicher Gespräche in Vorständen und mit einzelnen Ministern und Abgeordneten „zu keinem Zeitpunkt“ gegeben. In der Folge sei der Blog ein „Fremdkörper bei den Funktionsträgern“ geblieben, mit seinem Anspruch auf „Transparenz, Diskussion und Mitmachen“ zunehmend in Gegnerschaft zu regierenden Genossen geraten, was weder „im Interesse des Förderers, der Rosa Luxemburg Stiftung“, noch in seinem eigenen gewesen sei.
Seine Analyse der offiziellen Internet-Präsenzen, Öffentlichkeitsarbeit und Online-Kommunikationsmöglichkeiten von Landtagsfraktion und Landespartei fällt verheerend aus. Es gebe kein Online-Forum der Linken im Land, bis heute könne man weder auf der Seite der Fraktion, noch der des Landesverbandes „auch nur einen Kommentar loswerden“, kritisiert Trunschke. Und selbst auf Facebook würden „dieselben drögen Presseerklärungen wie auf den Webseiten“ veröffentlicht. „Standpunkte, keine Diskussionsangebote. Abgeschlossenes und Langweiliges statt Offenes und An- oder gar Aufregendes“, heißt es. „Man fühlt Parteibürokratie, wo man auf Menschen aus Fleisch und Blut hofft.“ Konkret nennt er die jüngst publizierte Broschüre der Regierungskoalition zur rot-roten Halbzeitbilanz, die „hätte auch aus der SED-Propagandaabteilung stammen können. Wir sind die Guten. Alles ist gut. Wer mag da noch mitreden?“
Trunschke verbindet seine Abrechnung zum Abschied mit einer Warnung an die Genossen zwei Jahre vor der nächsten Wahl im Land. Er verweist auf das Schicksal der in der rot-roten Koalition abgestürzten Linken in Berlin und auf den Erfolg der Piraten auch in Brandenburg. Vielleicht müssten die erst noch mehr Zuspruch bekommen, ehe die Linken aufwachten, so seine Botschaft. „Das Problem ist kein technisches. Jedenfalls nicht in erster Linie. Es ist ein zutiefst kulturelles“, heißt es weiter. „Wer die Debatte mit potenziellen Wählern auf Augenhöhe sucht, der wird auch die Wege dazu finden.“ Ansätze dafür sieht er sogar, allerdings allein bei jüngeren Linken, dem Netzwerk um den Potsdamer Kreisvorsitzenden Sascha Krämer. „Sie sind nicht nur inhaltlich kompetent, sie verstehen auch die verschiedenen Kanäle, analog wie digital, offline wie online adäquat (!) zu nutzen. Diese Jungen agieren nicht nur auf Augenhöhe mit den Bürgern, sondern auch mit den PIRATEN. Öffentlich.“ Trunschke: „So. Das war’s. Eine kleine Störung im Getriebe der LINKEN in Regierung wird abgeschaltet.“
Die Linken im Landtag bereiten gerade eine neue Internet-Präsenz vor. Wann die freigeschaltet wird, ist aber noch unklar. „Doch HTML, CSS & Co. sind ein komplexes Gefüge – da gibt es auch einmal kniffelige Überraschungen“, steht dort. „Damit haben wir gerade zu tun. Deswegen benötigt der Start der neuen Internet-Präsenz der Fraktion noch ein wenig Zeit.“ Man darf gespannt sein, ob Trunschke mit seinen kritischen Hinweisen Gehör findet.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: