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Brandenburg: „Opposition ist eine Option – auch für uns“

CDU-Fraktionschefin Saskia Funck über den ramponierten Ruf der Landespartei, die Führungsrolle der Frauen, konservative Werte und das Verhältnis zum Koalitionspartner SPD

Stand:

Frau Funck, die märkische CDU hat im Mai eine Imagekampagne und eine Bürgeroffensive gestartet. Wie mies ist der Ruf der Partei denn, dass sie im Wahlkampfjahr erst einmal ihren Ruf aufpolieren muss, bevor sie inhaltlich auftreten kann?

Es sind einfach zwei Punkte zusammengekommen: Zum einen gab es eine Umfrage, die wir in Auftrag gegeben hatten

und die ihrer Partei (Umfrage war von Fraktion) im Land Brandenburg kein gutes Zeugnis ausgestellt hat

und aus der wir erfahren wollten, ob das, was wir nach der Zeit, in der die Fraktion vorwiegend mit sich selbst beschäftigt war, geändert und angepackt haben, auch schon im Land wahrgenommen wird. Und wir hatten uns Gedanken darüber gemacht, was notwendig ist, um die Anliegen der Bürger ernster zu nehmen.

Aber die Umfrage hat ja auch zutage gefördert, dass bei allen Besserungstendenzen die Landespartei noch immer auch für Streit und Intrigen steht. Wie wollen Sie denn bis zu den Landtags- und Bundestagswahlen diesen schlechten Ruf wieder loswerden?

Mit anständiger Arbeit, mit ganz kontinuierlicher, sachbezogener Kärrnerarbeit – was dieses Land ja auch braucht.

Ein Beispiel

Die Stimmungslage ist aufgrund der Wirtschaftskrise nicht besonders gut. Hier werden wir deutlich machen, wir schaffen das, wir kommen da durch. Aber dazu gehört auch, dass jeder mit anpacken muss. Was für uns dabei ganz wichtig ist: Die Anliegen der Bürger nicht nur ernst zu nehmen, sondern Politik aus Bürgersicht zu machen. Das auch der Verwaltung zu vermitteln, ist ein hartes Stück Arbeit. Hier haben sich teilweise Strukturen und eine Denkweise verfestigt, die einer Trennung gleichkommen zwischen Verwaltung und Bürgern. Jeder Verwaltungsmitarbeiter muss sich klar machen, dass sein Arbeitsplatz durch Steuergelder der Bürger bezahlt wird und dass er selbst auch entsprechend mit Bürgern oder Unternehmen umzugehen hat. Das ist das A und O.

Heißt das im Umkehrschluss, dass sich auch die CDU in den vergangenen Jahren von den Bürgern und deren Anliegen entfernt hat?

Der Eindruck ist sicherlich entstanden.

Wodurch?

Höchstwahrscheinlich durch die Selbstbeschäftigung, die wir ja nun in der Partei auch längere Zeit hatten. Deshalb müssen wir wieder deutlich machen, dass die CDU die einzige bürgerliche Partei in Brandenburg ist. Bürgerliche Werte wie Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft sind Grundlage für unseren Wohlstand.

Auf den aktuellen Plakaten sind nur noch Frauen zu sehen: Frau Wanka, Frau Reiche und Sie. Besteht die CDU-Brandenburg nur noch aus der Frauenunion oder werden die Männer nur bis nach den Wahlen versteckt?

Die Brandenburger CDU hat sich verändert. Es ist nun mal Fakt, dass wir eine Spitzenkandidatin für die Landtagswahl haben – nämlich Johanna Wanka –, außerdem eine Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl – Katherina Reiche –, und dann noch eine Fraktionsvorsitzende – mich. Und wie wir ja wissen, werden Frauen gerade dann, wenn es schwierig wird, gerne gerufen. Da wir nun diese Konstellation haben, kann man damit doch auch werben.

Werden wir denn noch Plakate sehen wo etwa Herr Petke drauf ist oder Herr Schönbohm?

Herr Schönbohm kandidiert nicht mehr. Aber Herr Petke – na klar, er tritt ja zur Landtagswahl an.

Die großen Plakatwände gehören also allein den Frauen?

Die großen Plakate bleiben der Spitzenkandidatin vorbehalten.

Sie treten in den Wahlkämpfen gegen eine SPD an, die mit Platzeck, dem nach allen Umfragen beliebtesten Politiker des Landes, und Frank Walter Steinmeier, dem Kanzlerkandidaten, übermächtig sein wird. Glauben sie, dass sie mit ihrer Frauen-Troika dagegen halten können?

Aber natürlich – das wäre auch ein Ding, wenn ich es nicht täte. Außerdem glaube ich nicht, dass die Brandenburger auf einen Frank „Dabbelju“ Steinmeier aus Lipperland hereinfallen. Die Brandenburger wollen was Bodenständiges vor Ort. Die Beliebtheit Platzecks hängt auch damit zusammen, dass er von hier kommt und für die Leute ein offenes Ohr hat. Herr Steinmeier ist ein exzellenter Außenminister – aber mit Brandenburg hat er nichts am Hut. Heimatverbundenheit kann man nicht aufsetzen, das ist zu spüren.

Die SPD kann sich nach der Wahl wohl den Koalitionspartner aussuchen. SPD-Generalsekretär Klaus Ness warnte bereits, CDU und Linke sollten sich im Wahlkampf gegenüber der SPD mäßigen, sonst laufe man Gefahr, es sich mit der SPD zu verscherzen. Außerdem hat die SPD bereits jetzt K.o.-Kriterien für eine neue Koalition aufgestellt – etwa die Einführung eines Schüler-Bafögs sowie ein Vergabegesetz, das für öffentliche Aufträge einen Mindestlohn vorsieht. Wie wollen sie das schaffen: sich deutlich von der SPD abgrenzen, auch polarisieren, sich aber gleichzeitig auch die SPD warm halten?

Zwei Sachen dazu. Erstens: Wir sind die einzige bürgerliche Partei in diesem Lande, die verhindern kann, dass Brandenburg nach der Wahl weiter nach links rutscht. Zweitens: Ness und die SPD können es sich sparen, Haltungsnoten zu verteilen. Wenn sie weiterhin vor allem in unsere Richtung K.o.-Kriterien aufstellen, dann sollen sie doch klar sagen, dass sie mit der Linken koalieren wollen. Es geht für Brandenburg darum, wirklich zukunftsfähige Politik zu gestalten. Das sehen wir eben nicht in einer drastischen Neuverschuldung und nicht mit einem Mindestlohn, der nicht einen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen wird. Außerdem sehen wir gerade für die heimische Wirtschaft massive Schwierigkeiten bei solchen Forderungen. Wenn sich also die SPD hinsetzt und sagt: Das und das sind unsere K.o.- Kriterien, dann weiß der Bürger, was gestochen ist: Rot-Rot. Wenn die SPD der Meinung ist, wir führten einen zu harten Wahlkampf: Eine Opposition ist in der Demokratie immer eine Option – auch für uns.

Ihr Ziel für die Landtagswahl?

Wir wollen bestimmen, wer Ministerpräsident wird.

Eine Zahl, „mehr als“?

Na, mehr als 19,4 Prozent wie bei der letzten Landtagswahl ist wohl klar!

Die Union bindet auch konservativste Kreise und hat dies mit Jörg Schönbohm auch in Brandenburg immer geschafft. Nun tritt er, der einzige wahrnehmbare Konservative und der einzige Kopf der Landes-CDU mit bundesweiter Ausstrahlung, nicht mehr an. Ist da irgendjemand in Sicht, der die Lücke auf mittlere Sicht füllen kann?

Zum wahrnehmbaren konservativen Profil gehört höchstwahrscheinlich auch immer ein bestimmtes Alter. Wir haben das große Glück, dass wir eine deutliche Verjüngung in Brandenburg durchgemacht haben. Das bringt aber wohl auch mit sich, dass jemand, der es heute schon ist, erst später als besonders konservativ wahrgenommen werden wird. Und: Das Profil von Jörg Schönbohm so zu übernehmen, glaube ich, ist wirklich schwierig – Schönbohm gibt es nur einmal.

Sie sind seit Ende Januar Fraktionschefin: Was war ihr größter Erfolg, was ist das größte Ärgernis?

Ich messe die Tage nicht danach. Ich freue mich, dass die Fraktion so an einem Strang zieht, das ist besonders wichtig, um auch gegenüber dem Koalitionspartner Dinge durchsetzen zu können.

Das Ärgernis?

Ab und zu die Unzuverlässigkeiten beim Einhalten von Absprachen – meine Fraktion ausgenommen.

Und wen eingeschlossen?

Na, ein gutes Beispiel ist gerade der Ministerpräsident, der die Schuldenbremse lockern möchte, obwohl es anders abgesprochen war – im Bund und im Land unter den Koalitionspartnern. So etwas gehört sich nicht.

Aber angesichts der Krise wird es in Brandenburg in den nächsten Jahren deutlich weniger zu verteilen geben, die Steuereinnahmen werden nach den letzten Prognosen einbrechen: in diesem Jahr um etwa 400 Millionen, im kommenden Jahr um 600 Millionen und im Jahr 2011 um etwa 700 Millionen Euro. Gleichzeitig gehen die Gelder aus dem Solidarpakt schrittweise auf Null zurück – was kann da noch gestaltet werden?

Wir erleben jetzt die Situation, wie sie im Jahr 2006 für 2009 prognostiziert wurde. Also nicht wirklich ein Schock, außer man hat die zusätzlichen prognostizierten Steuermehreinnahmen vom letzten Jahr schon komplett für Ausgaben verplant. Auch das Absinken der Westgelder zum Aufbau Ost ist seit Jahren bekannt. Umso länger man zögert, diese Fakten bei zukünftigen Haushaltsaufstellungen zu berücksichtigen, umso härter werden die Konsequenzen. Mit Kreativität, Mut und vor allem Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Brandenburger können wir das aber schaffen.

Ausgerechnet der als knochenhart geltende Finanzminister Rainer Speer soll zu optimistisch geplant haben?

Spannend wird jedenfalls, wie hart er bei kommenden Haushaltsverhandlungen bleibt, oder ob Brandenburg wie in den Neunzigern in eine unverantwortliche Schuldenpolitik zurückfällt.

Das Gespräch führte Peter Tiede

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