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Von Thorsten Metzner: Opposition sieht rot

Die CDU ist enttäuscht, SED-Opferverbände sind verbittert. Nur die Wirtschaft hält sich mit Kritik zurück

Stand:

Potsdam – Die Entscheidung von SPD-Landeschef Matthias Platzeck für Rot-Rot hat zu Kontroversen geführt. SED-Opferverbände reagierten verbittert. In den Reihen der Union, dem bisherigen Koalitionspartner, dominierte Enttäuschung. Die CDU-Landesvorsitzende Johanna Wanka kündigte eine „starke, professionelle“ Opposition ihrer Partei im Landtag an, die nicht mit den durch innere Querelen geprägten 90er Jahren vergleichbar sein werde.

Wanka sagte zudem, sie sei „menschlich enttäuscht“. Am Montagmorgen hatte sie offenbar aus der SPD vorab einen Hinweis erhalten war, kurz nach 12 Uhr teilte ihr Platzeck dann telefonisch die endgültige Entscheidung mit. Es habe in den Sondierungsgesprächen mit der SPD „keine inhaltlichen Gründe gegen eine Fortsetzung der Koalition mit der Union gegeben“, sagte Wanka weiter. „Wir hatten Kompromisse und Kompromisslinien für alles.“ Die CDU-Chefin warf dem Regierungschef vor, allein aus Angst vor Abweichlern in der SPD auf Rot-Rot (zwölf Stimmen Mehrheit) statt auf Rot-Schwarz (fünf Stimmen) gesetzt zu haben. „Es ist die Sorge des Ministerpräsidenten vor der eigenen Fraktion gewesen, ob ihn wirklich alle wollen, der Simonis-Effekt“, sagte Wanka. „Der Brandenburger“, fügte sie mit Blick auf Platzecks Plakate im Wahlkampf hinzu, „hat nicht für Brandenburg entschieden.“ Die scheidende Vize-Regierungschefin warnte vor den Risiken einer rot-roten Regierung in Brandenburg, mit unerfahrenen Linke-Ministern. „Kein IM zu sein, reicht für ein Ministeramt nicht aus.“

Unterschiedlich reagierten die neu in den Landtag eingezogenen Grünen und Liberalen. „Ausgerechnet 20 Jahre nach dem Mauerfall wird der Brandenburger Landtag wieder zum Kreml“, sagte FDP Fraktionschef Hans-Peter Goetz. Die Kommunisten seien nicht die Lösung, sondern das Problem. Die Linke stehe „für eine Schuldenpolitik und die systematische Entwertung von Leistung“. Dagegen begrüßte Grünen-Landeschef Axel Vogel das Ende der „SPD/CDU-Stillstandskoalition“. Rot-Rot sei zumindest die „Chance auf einen Politikwechsel“, sagte Vogel. Man sei gespannt auf die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen.

Am Tag der Entscheidung begannen erste Spekulationen über ein rot-rotes Kabinett. Da Fraktionschefin Kerstin Kaiser nicht in die Regierung wechselt, könnte etwa der allgemein anerkannte Wirtschaftsexperte Ralf Christoffers Vize-Regierungschef werden, als Finanz- oder als Wirtschaftsminister. Für beide Ressorts hätte die Linke mit dem Ex-Europaabgeordneten und Unternehmer Helmut Markow eine Alternative. Die Abgeordnete Kornelia Wehlan stünde für das Agrarministerium bereit, der Verfassungsrichter Volkmar Schöneburg für das Justizressort.

Auffällig war, dass Kritik aus der brandenburgischen Wirtschaft ausblieb, wo es durchaus Vorbehalte gegen Rot-Rot gibt. Der Unternehmerverband Brandenburg hat mit Rot-Rot kein grundsätzliches Problem, sagte vielmehr Hauptgeschäftsführer Roland Kleint. In diesem Sinne hatte sich jüngst die Industrie- und Handelskammer Potsdam geäußert. Und die Vereinigung der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB) hatte mit Blick auf den nun entschiedenen Koalitionspoker lediglich gemahnt, den erfolgreichen Kurs der Wirtschaftpolitik zu halten. Die Handwerkskammer Potsdam warnte vor politischen Experimenten.

Die Koalitionsverhandlungen von SPD und Linke sollen bereits am Mittwoch beginnen, nachdem beide Parteien dafür förmlich den Weg freigemacht haben. Die SPD tat dies auf einem „kleinen Parteitag“ am Montagabend. Der Landesvorstand gab grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit den Linken, für den 4.November wurde für die Verabschiedung des rot-roten Koalitionsvertrages ein Sonderparteitag einberufen. Bei den Linken tagen die Gremien heute.

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