Brandenburg: Pendler in der Staufalle
Beim Ausstand der Bahn-Mitarbeiter können auch die Bus-Gesellschaften nicht viel weiter helfen. Zusatzverkehr nur bei Havelbus
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Berlin/Potsdam - Hunderttausende Berliner und Brandenburger werden heute zu spät zur Arbeit oder in die Schule kommen, falls sie bei der Fahrt auf die S-Bahn oder einen Zug im Fern- oder Regionalverkehr der Deutschen Bahn angewiesen sind. Zwischen 5 Uhr und 9 Uhr soll sich nach dem Willen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) kein Rad mehr auf der Schiene drehen. Und auch nach dem Ende des Streiks wird es erfahrungsgemäß mehrere Stunden dauern, bis sich der Betrieb normalisiert hat – zudem haben für den Nachmittag die beiden anderen Bahn-Gewerkschaften Warnstreiks in der Region angekündigt. So wird bis in den Abend hinein fast nichts fahren auf den Schienen.
Außer dem Auto, dem Fahrrad oder einem ausgiebigen Fußmarsch haben die Kunden der Bahn und der S-Bahn kaum eine Alternative. Die S-Bahn könne bei einem Streik auf dem gesamten Netz keinen Ersatzverkehr mit Bussen anbieten, sagte Sprecher Gisbert Gahler gestern. Die S-Bahn bringe in der Zeit, in der gestreikt wird, werktags etwa 400 000 Fahrgäste an ihr Ziel. Dies sei mit Bussen nicht zu schaffen. Außerdem liegen die Bahnhöfe oft so, dass sie mit Bussen nur auf komplizierten Routen zu erreichen seien.
Auch die BVG kann nach Angaben ihrer Sprecherin Petra Reetz nicht in die Bresche springen. Parallelverkehr zu S-Bahn-Strecken habe man in den vergangenen Jahren weitgehend aufgehoben. Die BVG werde aber dort, wo die Zahl der Fahrgäste erheblich steige, versuchen, kurzfristig mehr Fahrzeuge einzusetzen. Allerdings hat auch die BVG kaum noch Reserven – weder bei den Fahrzeugen noch bei den Fahrern.
Keinen Grund, sonderlich aktiv zu werden sieht man bei den Potsdamer Verkehrsbetrieben. Dort sollen nach Auskunft der Stadtwerke keine zusätzlichen Fahrzeuge eingesetzt werden, um Pendler nach Berlin oder von dort nach Potsdam zu bringen.
Einzig die Verkehrsgesellschaft Havelbus – zuständig für den Landkreis Potsdam-Mittelmark – stellt sich auf den Bahnstreik ein. Zwar werde im Berufsverkehr bis 8 Uhr schon mit maximaler Kapazität gefahren, sagte Havelbus-Geschäftsführer Dieter Schäfer den PNN. „Aber wir haben noch acht Reservebusse – dann müssen eben auch das Verwaltungspersonal und die Schlosser raus.“ Besonders sensibel aus seiner Sicht ist die Strecke von Werder (Havel) nach Potsdam, wo zu den sechs im 20-Minutentakt fahrenden Bussen der Linie 631 drei zusätzliche fahren sollen. „Der Regionalexpress der Linie 1 fährt von Werder nach Berlin im Halbstundentakt. Da werden alle Fahrgäste in den Bus wollen.“ Wochentags gibt es im RE1 3400 Ein- und Aussteiger. Die Havelbus könne allerdings nur bis zur Potsdamer Hauptbahnhof helfen. Dort gibt es immerhin einen Fahrradverleih. „Wie es nach Berlin weitergehen soll, ist mir schleierhaft.“ Auch aus Richtung Michendorf will Schäfer Reserven einsetzen.
Wer mit einem Taxi fahren will, muss sich wegen der Staus darauf einstellen, wegen der erwarteten Staus länger zu brauchen. Zwar sind nach Angaben der Taxigenossenschaft Potsdam morgens mehr Fahrer unterwegs, als an normalen Tagen, aber zahlreiche Fahrgäste hätten schon vorgebucht, so dass es zu Engpässen kommen könnte.
Einziger Trost für Pendler und sonstige Bahnkunden: Der GDL-Bezirksvorsitzende Hans-Joachim Kernchen hat allerdings versprochen, dass kein Zug und auch keine S-Bahn streikbedingt mit Fahrgästen an Bord auf freier Strecke stehen bleiben werde. Die Lokführer sollten ihre Züge auf jeden Fall bis zu einem Bahnhof fahren und die Fahrt erst dort beenden. Wo dies wider Erwarten nicht möglich sein sollte, würden die Lokführer zusammen mit der Leitstelle der Bahn versuchen, schnell eine Lösung zu finden. Die Fahrgäste sollten nicht „über Gebühr strapaziert“ werden, sagte Kernchen.
Doch selbst wer auf ein Auto ausweichen kann, hat keine Garantie, pünktlich anzukommen. Vor allem die großen Zufahrtsstraßen von Brandenburg nach Berlin und umgekehrt werden wohl verstopft sein. 160 000 Brandenburger fahren täglich zur Arbeit nach Berlin und 61 000 Berliner nach Brandenburg. Und in Berlin bremsen zahlreiche Baustellen das Fortkommen (siehe unten); und wer von Berlin kommend in Potsdam landet, steht wegen diverser Baustellen schon an normalen Arbeitstagen morgens im Stau.
Einen Vorgeschmack auf Zugausfälle bekamen S-Bahn-Fahrgäste in Berlin bereits gestern – nach technischen Defekten. Eine Signalstörung bremste zwischen 4 Uhr und 8 Uhr den Verkehr auf dem Ring.
Zwischen Westend und Beusselstraße fuhren die Züge zum Teil lediglich im Abstand von einer halben Stunde. Züge aus Königs Wusterhausen, Schönefeld und Spindlersfeld endeten zeitweise bereits in Schöneweide. Bereits um 4.20 Uhr war eine Bahn nach Bremsproblemen im Bahnhof Pankow liegen geblieben. Etwa zehn Züge fielen danach nach Angaben der S-Bahn aus.
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