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Brandenburg und die "Reichsbürger": Per Handbuch gegen den Wahnsinn
Wie sollen Behörden mit den "Reichsbürgern" umgehen? Ein neuer Leitfaden von Polizei und Verfassungsschutz soll helfen.
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Potsdam - Sie lehnen zwar alle Behörden, Gerichte und Verwaltungen kategorisch ab, torpedieren diese aber dennoch mit unsinnigen Anfragen und abstrusen Verfahren. Die sogenannten Reichsbürger erkennen die Existenz der Bundesrepublik und ihrer Behörden nicht an. Die "Reichsbürger" werden vom Verfassungsschutz als eine Art rechtsextremistische Sekte eingestuft. Manche gelten einfach als Verschwörungstheoretiker und Esoteriker, andere sind klar rechtsextrem. Je länger sich ein Aktivist jedoch in dem Milieu bewege, „desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er den dort vorherrschenden rechtsextremistischen Grundton verinnerlicht“, sagte Brandenburgs Verfassungsschutzchef Carlo Weber. Etwa 200 „Reichsbürger“ gibt es im Land.
"Reichsbürger" lehnen Existenz der BRD ab
Wie berichtet machen „Reichsbürger“ den Behörden seit Jahren zu schaffen. Sie verweigern Bußgelder und Steuern, schreiben seitenlange Widersprüche, fälschen Autokennzeichen oder basteln sich eigene Führerscheine und Ausweise. Prinzipiell lehnen sie die Existenz der Bundesrepublik ab, weil angeblich das „Deutsche Reich“ in den Grenzen von 1937 fortbestehe.
In Kooperation zwischen Brandenburger Verfassungsschutz und Landeskriminalamt ist nun ein Handbuch für Behördenmitarbeiter herausgegeben worden, um den Umgang mit diesen Querulanten zu vereinheitlichen. „Das Handbuch ist eine unverzichtbare Hilfe“, sagte Innenstaatssekretär Matthias Kahl am Sonntag in Potsdam. Wichtig sei vor allem: sich nicht auf Diskussionen einlassen.
Zahl der Klagen steigen - und behindern die Arbeit der Gerichte
Etwa 250 der 5300 Verfahren im Jahr werden von „Reichsbürgern“ angestrengt, so berichtete Thomas Stapperfend, Vizepräsident des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg in Cottbus, im vergangenen Jahr im Rechtsausschuss des Brandenburger Landtags. Seit zwei Jahren steige die Zahl der Klagen und behindere zunehmend die Arbeit des Gerichtes. Nach Angaben des Innenministeriums gebe es in Brandenburg „kaum einen Behördenleiter, der noch nicht mit dem Phänomen zu tun hatte“. Mittlerweile beklagen Kommunen, Landkreise und auch Finanzbehörden, dass es sogar zu Einschüchterungsversuchen und Übergriffen kommt, berichtete Verfassungsschutzchef Weber. Herausgegeben wurde das Handbuch vom Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung (demos). Beteiligt war auch der Verfassungsschutz Sachsen, „weil dort ein ähnlicher Problemdruck besteht“, wie Staatssekretär Kahl bei der Vorstellung sagte. Weber sagte: „Je weiter entfernt urbane Zentren liegen, desto größer scheint die Sogkraft zu sein.“
Im benachbarten Berlin ist das Problem längst nicht so groß, auch wenn sich die Zahl der „Reichsbürger“ von 2013 auf 2014 auf 200 verdoppelt habe, wie es im Jahresbericht des Verfassungsschutzes heißt. Aktuelle Zahlen von 2015 liegen noch nicht vor. In den vergangenen Jahren seien sie durch „den Versand von Drohbriefen gegen Ausländer“ aufgefallen. Eine Demo am 3. Oktober 2014 vor dem Reichstag hatte wenig Zulauf – wenn auch der Soulsänger Xavier Naidoo auftrat.
Nach Einschätzung des Herausgebers besteht die Szene aus „Bedeutungssüchtigen, Geschäftemachern, Tricksern, Querulanten, aber auch ernsthaft Überzeugten, psychisch Kranken, Betrogenen, Verzweifelten und Träumern“. Einige hätten sich in die Unzurechnungsfähigkeit hineingesteigert, bis hin zum Suizid.
Das Handbuch gibt es hier >>
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