Brandenburg: Pflegeheim mit Arzt – Berlin ist bundesweit Vorbild
Experten glauben nicht, dass das Modell auf Brandenburg übertragbar ist
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Berlin/Potsdam - Hausärzte, die direkt nur für ein Pflegeheim zur Verfügung stehen und deshalb die Bewohner besser versorgen können – was Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) nun bundesweit per Gesetz ermöglichen will, ist für einige Berliner Heime längst Realität. Seit 1998 sind 38 der rund 270 stationären Pflegeeinrichtungen in der Stadt in das sogenannte Berliner Projekt aufgenommen. In diesem bundesweiten Vorreiterprojekt sind entweder Mediziner direkt im Heim angestellt, oder aber sie sind als niedergelassenen Ärzte vertraglich mit ihm verbunden. Auf Brandenburg sei das Berliner Modell jedoch kaum zu übertragen, hieß es gestern einhellig beim Gesundheitsministerium in Potsdam, der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Brandenburg und AOK-Brandenburg: Es gebe schlicht zu wenig Ärzte in der Mark.
Eine aktuelle Umfrage der Senatssozialverwaltung unter allen Berliner Pflegeheimen zeigt nun, dass die Qualität der hausärztlichen Versorgung in den Einrichtungen des Berliner Projektes höher ist, zumindest aus Sicht der Betreiber. In diesen Einrichtungen werden derzeit rund 3100 Menschen versorgt. 34 von 37 befragten Projektheimen gaben an, mit der hausärztlichen Versorgung der Bewohner zufrieden zu sein – das sind 92 Prozent. Von den übrigen gut 230 Pflegeeinrichtungen, in denen zum Teil 30 und mehr verschiedene Hausärzte die Bewohner betreuen, sagten das nur 53 Prozent. Die Unzufriedenen beklagen etwa, dass sie zu lange auf den Besuch eines niedergelassenen Mediziners warten müssten, dass deren Untersuchungen zu oberflächlich erfolgten oder dass die verschriebenen Arzneien nicht bis zum nächsten Besuch des Doktors ausreichten. Im Durchschnitt leben 95 Bewohner in einem der befragten Heime – das heißt, rund 10 000 Menschen sind in einer Einrichtung untergebracht, deren hausärztliche Versorgung suboptimal ist.
Aber nicht nur Umfragen belegen die Vorteile des Berliner Projektes. So müssen Bewohner aufgrund der intensiveren hausärztlichen Versorgung rund um die Uhr seltener in ein Krankenhaus überwiesen werden. Während die Pflegekassen in einem typischen Berliner Heim im Jahr 2005 durchschnittlich 78 Kliniküberweisungen pro 100 Bewohner registrierten, lag diese Quote im Berliner Projekt bei durchschnittlich 35. Das rechnet sich auch für die Pflegekassen. Im Jahr 2005 sparten die drei damals beteiligten Kassen – AOK-Berlin, IKK Berlin-Brandenburg und Bahn BKK (seit 2007 ist auch die Siemens BKK dabei) – rund 2,8 Millionen Euro ein.
Bundesweit sehen Experten darin ein nachahmenswertes Modell: In Bayern wurde kürzlich ein ähnliches Vorhaben gestartet. Und auch wenn es weitere Heime gibt, die Interesse haben, bei dem Projekt mitzumachen: Eine Ausweitung ist in Berlin derzeit nicht möglich. Bereits 2005 scheiterten die entsprechenden Verhandlungen an den Finanzen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wollte mehr Geld für die beteiligten Ärzte, die Kassen wollten weniger zahlen. Im Rahmen des Berliner Projektes erhalten die beteiligten Vertragsärzte maximal 200 Euro pro Quartal und Patient zusätzlich. Dafür müssen diese Ärzte zum Beispiel mindestens einmal pro Woche in dem Heim für eine Visite anwesend sein, regelmäßige Fallbesprechungen durchführen und 24 Stunden am Tag eine Rufbereitschaft für die Heimpatienten sicherstellen. Doch angesichts der aktuellen Debatte steigt auch die Bereitschaft auf beiden Seiten, sich zu einigen. Sowohl die federführende AOK als auch die KV haben nun signalisiert, die Verhandlungen wieder aufnehmen zu wollen. Dabei macht auch die Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) Druck: „Die Form der ärztlichen Versorgung im Berliner Projekt muss zum Regelfall in den Heimen werden“, sagte sie.
In Brandenburg testet das Gesundheitsministerium derzeit im Rahmen der landesweiten Pflegeinitiative andere, auf ländliche Regionen mit Ärztemangel zugeschnittene Modelle. So sollen die Ärzte in den Regionen vernetzt werden und die Betreuung der Heime untereinander organisieren und abstimmen.
Die AOK-Brandenburg hat im Mai „Pflegeheim Plus“ gestartet, so AOK-Sprecher Jörg Trinogga gegenüber den PNN. Dabei sollen über Versorgungsverträge im Land niedergelassene Ärzte an Heime gebunden werden. 13 Heime, die versuchsweise an dem Projekt teilnehmen möchten, habe man schon gefunden. Nun suche die AOK interessierte Ärzten. Ein Extra-Budget speziell für die Pflegeheim-Patienten soll Mediziner Teilnahme überzeugen.
Bei der KV Brandenburg ist man jedoch skeptisch, ob das neue AOK-Projekt als genereller Lösungsansatz für Brandenburg taugt, so KV-Sprecher Ralf Herre. Denn nicht die Vergütung sei das Problem, sondern die fehlenden Ärzte. Man könne den vorhandenen Praxisärzten, nicht unbegrenzt Arbeit aufbürden. Dazu fehlte ihnen auch schlicht die Zeit. Schon jetzt könnten Ärzte Hausbesuche, auch in Pflegeheimen meist sehr schwer mit ihrem normalem Praxisbetrieb unter einen Hut bringen.
Bei Fachärzten sei dies in Brandenburg noch problematischer, so Ärztevertreter. Schon heute müssten in Regionen wie der Prignitz Patienten wochen- bis monatelang auf Termine bei Spezialisten warten, deren Praxen oft bis zu 50 oder 60 Kilometer entfernt lägen. Eine Versorgung von Heimbewohnern sei dabei kaum zu realisieren, hieß es beim Ärzteverband.
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